Eindrucksvolles Leutzscher Regionalliga-Comeback in Nordhausen
Nach einjähriger Abstinenz hat sich die BSG Chemie Leipzig
eindrucksvoll in der Regionalliga zurückgemeldet. Zum Auftakt holte die
Mannschaft von Trainer Miroslav Jagatic beim Staffel-Mitfavoriten FSV
Wacker Nordhausen ein torloses 0:0-Unentschieden – ein Punkt, welchen
sich die Leutzscher aufgrund ihrer Vorstellung in den 90 Minuten absolut
verdienten.
Die Gastgeber aus dem Südharz fanden spielerisch über die komplette
Spielzeit kaum Mittel, um die kompakte Defensive der BSG aus den Angeln
zu heben – von der ersten Sekunde an bissen sich die Chemiker als
Kollektiv regelrecht in diese Aufgabe fest. Die Fünfeckträger verstanden
es von Beginn an, das taktische Konzept des Trainerteams zu einhundert
Prozent umzusetzen und lieferten mit der Unterstützung ihres wiederum
zahlreich angereisten Anhangs eine äußerst engagierte Vorstellung ab.
Doch die Leutzscher wussten nicht nur defensiv zu überzeugen. Auch im
Spiel nach vorn versuchte man mit schnell vorgetragenen Kontern immer
wieder zum Erfolg zu kommen, wobei man diese leider oftmals nicht sauber
genug zu Ende spielte. Unter dem Strich bleibt allerdings eine klasse
Mannschaftsleistung und ein völlig verdienter Punktgewinn gegen ein
Spitzenteam der Regionalliga – ein Zähler, welcher im Vorfeld kaum
jemand dieser Truppe zugetraut hat.
Dabei waren die Vorzeichen vor dem Anpfiff klar verteilt. Die
Gastgeber liebäugeln auch in dieser Saison damit, im Meisterschaftskampf
entscheidend eingreifen zu können, der Aufsteiger aus Leipzig-Leutzsch
hat indes nur ein Ziel: Klassenerhalt! So hatten die klar favorisierten
Nordhäuser zu Beginn erwartungsgemäß einige Feldvorteile zu verzeichnen,
doch die Jagatic-Elf verstand es immer wieder, das Spielgeschehen vom
eigenen Tor fernzuhalten. Einzig in der Anfangsphase wurde es vor dem
Gehäuse von Rückkehrer Benjamin Bellot einmal gefährlich, als Nils
Pichinot den besser postierten Carsten Kammlott in Szene setzen wollte,
der aufmerksame Björn Nikolajewski die Situation allerdings in letzter
Sekunde bereinigen konnte (3.). Ansonsten biss sich die hochgehandelte
Truppe von Trainer Heiko Scholz schon frühzeitig die Zähne an der
Chemie-Hintermannschaft aus. Durch eine enorme Leutzscher
Laufbereitschaft und resolutes Zweikampfverhalten kamen die Platzherren
in der Offensive kaum zum Zug. Hinzu kam, dass die meist stereotyp lang
geschlagenen Nordhäuser Bälle ganz selten einmal eigene Abnehmer fanden.
Dementsprechend wurden die Chemiker, die auf die verletzten Marc
Böttger, Sebastian Berg, Daniel Heinze, Andy Wendschuch und Florian
Kirstein verzichten mussten, von Minute zu Minute selbstsicherer. Auch
im Spiel nach vorn agierte man nun mutiger. Nach einem folgenschweren
Querpass von Lucas Stauffer setzten die Gäste ihr erstes
Offensiv-Signal, als Tomáš Petráček den rechtzeitig startenden Philipp
Wendt auf die Reise schickte – Wacker-Schlussmann Jan Glinker hier
jedoch einen Schritt schneller als der Leutzscher Linksbeiner war (22.).
Bei der BSG wurde fortan das Selbstvertrauen merklich größer, auch weil
der Auftritt der Platzherren weiterhin äußerst unruhig blieb. So fand
ein langgezogener Freistoß von Benjamin Boltze den am zweiten Pfosten
einlaufenden Tomáš Petráček, jedoch verfehlte der Kopfball des Tschechen
hauchzart das kurze Eck (39.). Nordhausen fand spielerisch auch fortan
kaum Lösungen, die Leutzscher agierten im Abwehrbereich weiterhin
äußerst stabil. Mit einer Ausnahme: Als sich Manuel Wajer auf seiner
rechten Seite im Zweikampf gegen Christoph Göbel nicht resolut genug
zeigte, fand dessen anschließende Flanke den am langen Pfosten lauernden
Nils Pichinot, allerdings lenkte Benjamin Bellot die Kugel gerade noch
über den Kasten (45.+4). Auch beim nachfolgenden Eckball von Tobias
Becker stand der BSG-Schlussmann noch einmal im Mittelpunkt, als er
einen Kopfball von Wacker-Rückkehrer Jan Löhmannsröben abermals über die
Querlatte lenkte (45.+5). Diese torgefährlichen Nordhäuser Aktionen
waren allerdings die Ausnahme, da die Leutzscher bis zum Halbzeitpfiff
defensiv alles unter Kontrolle hatten.
Auch zu Beginn des zweiten Durchgangs sollte sich am Spielverlauf
recht wenig ändern. Nordhausen präsentierte sich erwartungsgemäß
weiterhin mit einigen Feldvorteilen, aber die Jagatic-Schützlinge
blieben im Abwehrbereich weiterhin äußerst kompakt. Kam jedoch einmal
etwas aus der Distanz in Richtung Tor, packte Schlussmann Benjamin
Bellot sicher zu. Als Beispiele dienen hierfür die Versuche von Tobias
Becker und Carsten Kammlott, beide Prüfungen bestand Bellot mit Bravour
(50., 55.). Die Leutzscher lieferten auch in der Folgezeit eine
blitzsaubere Vorstellung ab, verengten immer wieder geschickt die Räume
und warteten auf Ballverluste der Thüringer, um blitzschnell kontern zu
können. Und genau solch eine Gelegenheit bot sich der BSG. Nach einem
resoluten Ballgewinn am eigenen Strafraum gegen Joy Lance Mickels
startete Manuel Wajer mit Ball über den halben Platz, am Ende traf er
leider beim entscheidenden Pass die falsche Entscheidung. Anstatt den
besser postierten Florian Schmidt zu bedienen, nahm er die etwas
schlechtere Option über Benjamin Boltze wahr, für den jedoch der Winkel
etwas zu spitz wurde, so dass das Streitobjekt knapp über das Gehäuse
zischte (56.). Gerade in diesen Situationen zeigten sich die Leutzscher
nicht abgezockt genug, da hier bei einem etwas präziseren Ausspielen des
Konters sogar noch etwas mehr möglich gewesen wäre. Wenig später
versprühten die Chemiker abermals Torgefahr, als der eingewechselte
Tommy Kind einen langgezogenen Boltze-Freistoß per Kopf auf Florian
Schmidt zurücklegte, dieser jedoch knapp verzog (67.).
In der Folgezeit rannte den Gastgebern mehr und mehr die Zeit davon.
Chemie blieb im Defensivbereich weiterhin höchst konzentriert und
agierte in der Zweikampfführung resolut, Nordhausen fand auch in der
Folgezeit keine Mittel. So war ein Distanzschuss von Joy Lance Mickels
schon das Gefährlichste, doch Benjamin Bellot brauchte hier nicht
einzugreifen (79.). Gegen Ende packten die Thüringer dann die
Brechstange aus, aber auch dies sollte nicht den gewünschten Erfolg
bringen. Zwar schickte Tobias Becker kurz vor Schluss den rechtzeitig
startenden Florian Beil noch einmal auf die Reise, auch hier verkürzte
Benjamin Bellot aber durch rechtzeitiges Herauslaufen geschickt den
Winkel, so dass die Kugel weit am Chemie-Tor vorbeitrudelte (90.+3).
Direkt im Anschluss erfolgte der Abpfiff des sehr gut leitenden
Schiedsrichters Tim Kohnert aus Ballenstedt, sodass sich die Leutzscher
letztlich über einen völlig verdienten Punktgewinn beim
Meisterschafts-Mitfavoriten freuen konnten. Die Gastgeber waren nervlich
bezüglich des Ergebnisses und der Erwartungshaltung extrem
angeschlagen, anders ist die Tätlichkeit nach Schlusspfiff von Oliver
Genausch an Benjamin Schmidt nicht zu erklären. Schiedsrichter-Assistent
Robin Enkelmann (Blankenburg) hatte alles genau gesehen – Rot für den
Ex-Zwickauer Genausch war die Folge.
So sehr sich die Chemiker über diesen wertvollen Zähler freuen
konnten, die Kunst ist es nun richtig mit diesem Resultat umzugehen. Das
erste Achtungszeichen in der noch äußerst jungen Saison ist gesetzt,
nun gilt es diese Leistung zu bestätigen. Dazu hat die Mannschaft von
Trainer Miroslav Jagatic in der kommenden Woche gleich zweimal vor
heimischem Publikum die Gelegenheit – eine Englische Woche steht an. Am
Mittwoch, den 31.07. gastiert um 18:00 Uhr der FC Viktoria 1889 Berlin
im Alfred-Kunze-Sportpark, am Sonnabend, den 03.08., empfangen die
Leutzscher um 13:30 Uhr den SV Babelsberg 03. Der Auftritt in Nordhausen
macht auf jeden Fall Appetit auf mehr, die Mannschaft hat sich in
beiden Heimspielen eine große Kulisse verdient.