Zu Beginn des 3. Jahrzehnts unserer Deutschen Demokratischen Republik begehen wir, die Sportlerinnen und Sportler der BSG Chemie, den 20. Jahrestag unseres Bestehens.
In diesem Zeitraum haben wir im Industriegebiet des Leipziger Westen entsprechend den Beschlüssen des ZK der SED und denen unserer Regierung durch eine zielstrebige Arbeit unsere Betriebssportgemeinschaft entwickelt und aufgebaut. Grundlage dazu bildet vor allem der im April 1950 vom damaligen ,,Deutschen Sportausschuß" in Ubereinstimmung mit dem Bundesvorstand des FDGB und dem Zentralrat der FDJ gefaßte ,,Beschluß über die Reorganisation des Sports in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf Produktionsbasis !"
Durch den Sieg der sowjetischen Truppen und ihrer Verbündeten über den barbarischen Hitlerfaschismus wurde auch uns die Möglichkeit gegeben, im II. Halbjahr 1945 - zunächst territorial begrenzt - wieder Sport zu treiben.
Auf dem Gelände des heutigen Georg-Schwarz-Sportparkes, wo bereits während des Hitlerfaschismus Leipziger Antifaschisten sich zu illegalen Treffs zusammenfanden, organisierte sich unter der Führung alter bewährter Arbeitersportler die damalige SG Leutzsch, die vor allem durch ihre Sektion Fußball bald über Leipzigs Grenzen hinweg auf sich aufmerksam machte. Nach dreijähriger Pionierarbeit konnte der nächste Schritt vollzogen werden, nämlich die Bildung einer Zentralsportgemeinschaft unter dem Namen ,,ZSG Industrie Leipzig".
Im Sport-Echo Nr.26/III. Jahrgang vom 1.4.1949 wird dazu u. a. ausgeführt: "Nicht in gemächlichem Trott, sondern geradezu sprunghaft ist die Entwicklung der ZSG Industrie Leipzig vorangeschritten! Zunächst gab es den Zusammenschluß mit 15 volkseigenen, Treuhänder und SAG-Betrieben des Leipziger Westens. Mit den Vertretern dei ZSG fanden sich die Funktionäre der SG Lindenau-Hafen, Lindenau Aue, Leipzig-Mitte und BöhlitzEhrenberg zu gemeinsamer Aussprache zusammen, die zum Ziel hatte, auch diese Gemeinschaften in die ZSG einzubeziehen. Zweifellos ein kühner Plan! Da ergriffen die Leutzscher Sportler die Initiative, kappten kurzerhand die alten Zöpfe und setzten den großen Gedanken einer Leistungssteigerung in die Tat um. Dabei ist unter Leistungssteigerung nicht etwa ausschließlich die Hebung der Spielstärke der ersten Vertretungen in den einzelnen Sparten zu verstehen, sondern das, was eine derartige ZSG für die Hebung der Volksgesundheit, also für das Volk, leistet." Diese Verhaltensweise der damaligen Leutzscher Funtionäre spricht Bände - sie hatten bereits die Entwicklung unserer sozialistischen Körperkultur und des Sports richtig erkannt und legten schließlich damit den Weg für unsere heutige Entwicklung fest.
Am 16. 8. 1950 konstituierte sich dann unter seinem damaligen Trägerbetrieb, VEB Farben und Lacke Leipzig, die heutige BSG Chemie, die sich sehr schnell entwickelte, und wenn es 1950 nur knapp 600 Mitglieder waren, so hat die BSG heute eine Stärke von über 1200 Mitgliedern, die in den Sektionen Tischtennis, Handball, Schach, Kegeln, Gymnastik, Fußball und im Versehrtensport aktiv tätig sind.
1954/55 wechselte der Trägerbetrieb, und es übernahm nunmehr der VEB Elguwa Leipzig und die dafür zuständige VEB Gummi und Asbest die weitere Initiative. Mit Beginn der 60er Jahre erfolgte eine völlige Neugestaltung des Georg Schwarz-Sportparkes, was nur auf Grund der enormen Leistungen und der Steigerung der Arbeitsproduktivität der Werktätigen des lndustriezweiges möglich war. Dafür gilt allen Arbeitern, Angestellten und Angehörigen der Intelligenz unser Dank.
Wenn wir heute das Fazit der 20 Jahre ziehen, so können die Sportler, Trainer, Übungsleiter und Funktionäre mit Recht stolz auf das Errungene sein. Sie alle haben gemeinsam dazu beigetragen, die Forderung zur Schaffung einer sozialistischen Körperkultur zu realisieren. Auf dem IV. Turn- und Sporttag des DTSB 1970 in Berlin sagte das Mitglied des Politbüros des ZK der SED, Genosse Erich Honecker, u. a. ,,Körperkultur und Sport sind Teil unseres gemeinsamen Lebens, untrennbarer Bestandteil unserer sozialistischen Gesellschaftsordnung, denn Sozialismus heißt Entwicklung a II e r Fähigkeiten der Menschen - der geistigen, der kulturellen und auch der sportlichen. Sozialismus, das bedeutet, daß uns nichts mit dem imperialistischen Westdeutschland verbindet, daß uns alles, aber auch alles verbindet mit unserem sozialistischen Vaterland, der Deutschen Demokratischen Republik!"
Gestatten Sie mir an dieser Stelle, der SED-Stadtleitung Leipzig, dem Rat der Stadt Leipzig, dem Rat des Stadtbezirkes West, allen treuen Anhängern und Zuschauern, unseren Fördernden Mitgliedern, allen aktiven Sportlern, Trainern, Ubungsleitern, medizinischen Mitarbeitern und Funktionären der BSG Chemie Leipzig den Dank für die bisherige Unterstützung und Mitarbeit tür die in den vergangenen Jahren geleistete erfolgreiche Arbeit auszusprechen!
Ich bin überzeugt, daß wir alle gemeinsam mit Elan und Begeisterung die Beschlüsse des IV. Turn- und Sporttages des DTSB realisieren und durch neue Taten mithelfen, Körperkultur und Sport zu festigen und weiterzuentwickeln.
Sport frei!
Erich Kobbelt,
1. Vorsitzender der BSG Chemie Leipzig
Auf Grund eines Beschlusses des ehemaligen ,,Deutschen Sportausschusses" über die Reorganisation des Sportes auf Produktionsbasis wurde am 16.8.1950 die bis dahin in Leipzig-Leutzsch bestehende ZSG Industrie Leipzig umgebildet und die Gründung der BSG Chemie Leipzig vollzogen.
Von 1945 bis 1950 hatten in Leipzig bekannte Sportfunktionäre wie Rudolf Friedrich (Onkel), Fritz Gödicke, Karl~Heinz Plättner, Kurt Berger, Max Könze, Arno Huhn, Alfred Merker, Paul Berus u. a. in mühevoller Kleinarbeit den Grundstein dazu gelegt.
Unter Beachtung der Erkenntnisse, daß eine gespaltene Sportbewegung, wie sie vor 1933 bestand, die Entwicklung des Faschismus mit begünstigte, hatten viele alte Arbeitersportfunktionöre die entsprechenden Konsequenzen gezogen. Solche bewährte Antifaschisten waren auch hier in Leutzsch vorhanden.
Die 3 erstgenannten Funktionäre waren es, die sich in der damaligen Zeit für die Namensgebung von Leipziger Sportplätzen, wie z. B. Bruno-Plache-Stadion, Willi-Kühn-Sportpark in Lindenau und Georg-Schwarz-Sportpark verantwortlich fühlten.
Was gab es damals neben der politisch-ideologischen Arbeit vor allem auch für organisatorische Probleme zu lösen?
Von Anfang an spielte F u ß b a II in der BSG eine Hauptrolle und es ist auch bis heute so geblieben. Neben all den kleinen und großen täglichen Sorgen war damals vor allem auch der Ausbau des ehemaligen Tura-Sportplatzes ein dringendes Erfordernis.
Wem ist schon bekannt, daß unsere noch heute stehende Tribüne bis 1948 am Flutkanal ihren Standort hatte? In mühevoller Kleinarbeit wurde sie dort abgebaut, von einem Leutzscher Fuhrunternehmen nach hier transportiert und schließlich auch wieder aufgebaut. Das Material dazu wie Nägel, Holz, Dachpappe, Kleber und so vieles andere wurde organisiert und beschafft. Fragen Sie aber nicht, unter welchen mühevollen Anstrengungen.
Langsam entwickelte sich ein gut funktionierender Sport- und Spielbetrieb, und Fußballspieler von damals wie Pönert, Zander, Hübler, Neustadt, Brembach, Sommer u. a. sind den älteren Sportanhängern heute noch ein Begriff. In der damaligen sächsischen Landesmeisterschaft spielte dieses Kollektiv keine untergeordnete Rolle und machte schon zu diesem Zeitpunkt durch einen Zuschauerzustrom von 20 000 bis 30000 pro Spiel von sich reden. Aber auch auf sportlichem Gebiet wurden hervorragende Ergebnisse erzielt. Erinnern wir uns nur an die Spiele vom 5.4.1949 gegen Zwikkau, 8.5.1949 gegen Meerane und 14.5.1949 gegen Dresden.
Wie überall im Sport vollzog sich auch bei unseren Fußballspielern ein Generationswechsel und die inzwischen herangewachsenen jungen Spieler eroberten sich sehr schnell die Sympathie unseres treuen Anhanges und man muß schon sagen, daß das damalige Kollektiv eine gute Entwicklung nahm.
Ein Autogramm von Heinz Fröhlich, Günter Busch, Rainer Baumann, Horst Scherbaum, Rudolf Krause, Werner Eilitz, Gerhard Helbig, Georg Zenker, Walter Stieglitz, Gerhard Polland u. a. war schon etwas wert.
Viele Spieler dieser Mannschaft wurden im Laufe der Jahre in die Nationalmannschaft unserer jungen Republik berufen und der Höhepunkt war schließlich für dieses Kollektiv die Erringung des Titels ,,DDR-Fußballmeister 1950/51". Als Anerkennung dafür erhielt die Mannschaft eine Auslandsreise, die zugleich die erste war und am 25. April 1952 reiste sie von Leipzig ab, allerdings ohne so hervorragende Spieler wie Krause, Scherbaum und Eilitz, die in einem Länderspiel gegen Ungarn in Budapest antreten mußten. 6 volle Wochen dauerte diese Reise und welche Schwierigkeiten waren dabei zu überwinden!
Von Berlin ging es per Schlafwagen noch Bukarest, dann weiter nach Constanza,wo auf dem sowjetischen Dampfer ,,Peter der Große" am 5.5.1952 die Einschiffung erfolgte. Die Seereise führte durch den Bosporus, die Dardanellen und um Griechenland. Es war eine 96-stündige Schiffsreise und für alle Teilnehmer ein einmaliges Erlebnis, und können Sie sich, verehrte Chemieanhänger, den heutigen Diplom-Journalisten Rainer Baumann als ,,Eselsreiter" in Albanien vorstellen?
Großen Anklang fand auch unsere ,,Hauskapelle", bestehend aus ,,Gag" Helbig, Günter Busch und Rainer Baumann. Sie hinterließ große Wirkung beim Hotelpersonal und den Gästen. Auf Grund der dabei gezeigten Begeisterung schwankten alle 3, ob sie evtl. dem Fußballsport ,,ade" sagen sollten, um in Zukunft als Musiker aufzutreten. Am 6.6. 1952 trafen wir schließlich nach erlebnisreichen und heißen Wochen wieder in unserer Heimatstadt ein, wo wir von vielen sportbegeisterten Anhängern auf dem Hauptbahnhof empfangen wurden.
Bei der Gründung der BSG Chemie Leipzig wurde der damalige, leider viel zu früh verstorbene Werkleiter des VEB Farben- und Lackfabrik, Gen. Hermann Funk, als Vorsitzender gewählt.
Standen die Werktätigen dieses Industriebetriebes schon damals begeistert hinter ihrer Mannschaft, so ist dies jedoch nicht vergleichbar mit den Sympathien, die unsere Mannschaft heute bei der Leipziger Bevölkerung genießt. -
Nach Übernahme der Trägerschaft für die BSG im Jahre 1963 durch den VEB Elguwa Leipzig und nach der Einschaltung der zuständigen VEB Gummi und Asbest in Berlin, nahm sprunghaft der Ausbau des Georg-Schwarz-Sportparkes seinen Fortgang.
Wem ist nicht mehr in Erinnerung das Aufschütten der Dämme, das Anlegen von Traversen, der Einbau von Drainage auf dem Hauptplatz, die Einzäunung, der Straßenbau bis schließlich zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Fertigstellung unseres neuen Sozialgebäudes mit Sauna, Unterwassermassage, Massageraum und anderen sozialhygienischen Einrichtungen.
Besondere Verdienste hat schon seit Jahren unser bewährter 1. Vorsitzender, Sportfreund Erich Kobbelt. Trotz seiner starken beruflichen Belastung als Generaldirektor der damaligen VEB Gummi und Asbest und des mit Wirkung vom 1. 1.1970 neu gebildeten Industriezweiges der VEB Plast- und Elastverarbeitung stellte er sich für die Entwicklung der BSG Chemie Leipzig jederzeit unter Verzicht auf seine persönlichen Belange zur Verfügung. Sein beispielhaftes Auftreten, seine Klarheit, Exaktheit und die von ihm festgelegte prognostische Entwicklung sind für uns Bestätigung dafür, daß er mit seiner ganzen Person die Beschlüsse der sozialistischen Sportbewegung erfolgreich realisiert. Er ist unseren Mitgliedern, Funktionären und vor allem unseren Sportlern in jeder Beziehung ein Vorbild und darüber hinaus ein guter Freund und Berater.
Dem Genossen Erich Kobbelt verdankt die BSG Chemie Leipzig ihre Entwicklung in den letzten 5 bis 6 Jahren und an dieser Stelle möchten wir ihm für seine Unterstützung Dank sagen und gleichzeitig die Erwartung zum Ausdruck bringen, daß er bei voller Gesundheit und Schaffenskraft noch viele Jahre das Steuer der BSG Chemie Leipzig in seinen kräftigen Händen hält.
Die Entwicklung der BSG Chemie Leipzig blieb nicht stehen und es kannten weitere stolze Erfolge errungen werden.
Im Jahre 1963/64 wurde im letzten Auswärts-Punktspiel gegen Erfurt 2:0 gewonnen und damit zum 2. Mal in der jungen Geschichte unserer BSG der stolze Titel eines DDR-Fußballmeisters errungen.
Lok Stendal wurde am 30.4.1966 in der ,,Sonnenschlacht von Bautzen" mit 1:0 bezwungen und damit erstmalig der FDGB-Pokal für die grün-weißen Farben erkämpft.
Eng verbunden mit diesen Erfolgen ist unser damaliger Cheftrainer, der Verdiente Meister des Sports Alfred Kunze. Ihm verdankt die Sektion Fußball und vor allem das Oberliga-Kollektiv sehr viel. Auch ihm gilt unser besonderer Dank.
Nach seinem Abtreten als Cheftrainer kamen einige unruhige Jahre über unser Kollektiv und unsere BSG. Spieler, die in den letzten 5 bis 8 Jahren das Spielgeschehen beeinflußten, wie Manfred Walter, Heinz Herrmann, Dieter Scherbarth, Bernd Bauchspieß, Horst Slaby, Klaus Lisiewicz, Hans-Bert Mataul u. a. fanden selbst keine Erklärung für das plötzliche Formtief. Junge Spieler kamen ins Kollektiv - Jany, Dobermann und Krauß. Dazu stießen so bewährte Fußballspieler wie Trojan, Skrowny und Schmidt zur Mannschaft und trotzdem haben wir 2 volle Jahre, nämlich in den Spieljahren 1966/67 und 1967/68, nur mit Mühe den 12. Platz halten können. Nur ungern erinnern wir uns des letzten Spieles gegen Dynamo Dresden, welches uns nach einem 1:1 schließlich noch den Klassenerhalt sicherte.
Eine stete Aufwärtsentwicklung im Leutzscher Fußballgeschehen trat mit der Verpflichtung und Berufung unseres neuen und noch heute tätigen Cheftrainers Otto Tschirner ein. Er setzte die erfolgreiche Arbeit von Spfrd. Alfred Kunze fort, schaffte wieder neue Erfolgserlebnisse und unter seiner Leitung konnte im Spieljahr 1968/69 ein nicht erwarteter 6. Platz erkämpft werden. Inzwischen wurden aus dem Kollektiv so bewährte und verdienstvolle Sportfreunde wie Bernd Herzog, Wolfgang Krause und Dieter Sommer verabschiedet, die durch ihre guten, gleichmäßigen Leistungen viel mit zu den Erfolgen beigetragen haben. Im Spieljahr 1969/70 konnte schließlich sogar ein hervorragender 4. Platz bei der DDR-Fußballmeisterschaft erkämpft werden und das war wohl nicht nur für uns als Funktionäre, sondern für die Fußballöffentlichkeit eine angenehme überraschung. Zu diesem großen Erfolg möchten wir heute in unserer JubiIäumsschrift dem Kollektiv, mit seinem Kapitän Manfred Walter an der Spitze, und unserem Cheftrainer Otto Tschirner, den Ass.-Trainern und Funktionären der Sektion Fußball sowie des Vorstandes, die durch ihre Tätigkeit mit zu diesen Erfolgen beigetragen haben, den herzlichsten Dank sagen und ihnen Anerkennung für diese guten Leistungen im Jubiläumsjahr aussprechen.
Zum Schluß bedanken wir uns auch bei den fördernden Mitgliedern für ihre hervorragende Unterstützung und geben dabei die Verpflichtung ab, in der Zukunft noch mehr mit ihnen zusammenzuarbeiten. Allen Freunden und Anhängern unserer BSG wünschen wir weiterhin persönliches Wohlergehen und Gesundheit.
Karl-Heinz Plättner
Der deutsche Faschismus hinterließ nach seiner Niederlage, die in der bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 gipfelte, ein trauriges Erbe. Die Trümmerfelder in den Großstädten verbreiteten Resignation und Mutlosigkeit; Hunger und Elend wirkten lähmend auf viele Menschen. Neben dem materiellen herrschte ein geistiges Chaos. Es schien keinen Ausweg zu geben.
Aber schon bald traten die Aktivisten der ersten Stunde auf den Plan, unter ihnen viele Kommunisten und Antifaschisten. Um sie schlossen sich alle aufbauwilligen Kräfte zusammen; die Wirtschaft wurde in Gang gebracht, demokratische Verhältnisse in allen gesellschaftlichen Bereichen geschaffen. Die Arbeiterklasse hatte in historischer Stunde ihre Mission erkannt - nicht Wiederaufbau, sondern Neuaufbau stand auf der Tagesordnung. Die Einheit der Arbeiterklasse,. verwirklicht in der Gründung der SED, war das Unterpfand für eine erfolgreiche Entwicklung: auf allen Gebieten.
Mit der antifaschistisch-demokratischen Ordnung wurden auch die Voraussetzungen, die Grundlagen für eine demokratische Sportbewegung geschaffen. Wie Überall in der sowjetischen Besatzungszone regten sich auch in Leipzig schon nach kurzer Zeit Kräfte, die das sportliche Leben in Gang brachten. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung wurden dem Sport erste Organisationsformen gegeben die ein Neubeginnen ermöglichten. zugleich mit anderen Gemeinschaften nahm die SG Leutzsch noch im Jahre 1945 unter zum Teil recht schwierigen Bedingungen einen provisorischen Spielbetrieb auf. Diese SG Leutzsch, so kann mit Fug und Recht gesagt werden, war der Vorfahre unserer heutigen Jubilarin, der BSG Chemie. Aus ihr entwickelte sich zu einem Zeitpunk, da FDJ und FDGB zu gemeinsamen Trägern der neuen Sportbewegung geworden waren und die Bildung von Betriebssportgemeinschaften einen gewaltigen Aufschwung nahm, die ZSG Industrie Leipzig.
Es erfüllt uns mit Stolz, dass auch Leipziger Fußballspieler zu den Initiatoren dieser revolutionären Umgestaltung im Sport zahlten. Fritz Gödicke, kampfstarker und athletischer Verteidiger der SG Leutzsch, gehörte zu denen, die die Entwicklung zu einer einheitlichen demokratischen Sportbewegung aktiv in führender Position als Vertreter der FDJ, später als Präsident der Sektion Fußball, beeinflussten. Mit ihm spielten damals die heutigen Chemie-Trainer Kurt Neustadt und Heinz Pönert, und Sommer, Zander, Hübler, Wenzel waren Aktive, deren Namen in Leipzig einen guten Klang besaßen. Mit der Gründung der ZSG Industrie erfuhr die Mannschaft eine wesentliche Verstärkung: Walter Rose, Gerhard Polland und Heinz Fröhlich kamen von der SG Lindenau-Hafen, ,Schorch' Zenker und Werner Brembach von der SG Böhlitz-Ehrenberg. Später wurden noch Werner Eilitz (Stötteritz) und ,Benjamin' Günter Busch (Liebertwolkwitz) in die Mannschaft aufgenommen.
Als im Jahre 1949 für die DS-Oberliga der Startschuss fiel, da war auch die ZSG Industrie unter den 14 Mannschaften, die das Rennen um Punkte aufnahmen. Sie hatte sich in Ausscheidungsspielen im damaligen Land Sachsen den Aufstieg erkämpft. Als Sektions- und Mannschaftsleiter in einer Person führte Karl Plättner eine stabile Mannschaft ins erste Oberligajahr. In dieser Formation bestritt die ZSG Industrie die meisten Punktspiele: Busch; Pönert, Brembach; Richter. Rose, Polland; Sommer, Eilitz, Hüb1er, Steuer, Fröhlich.
Am Ende der Saison 1949/50 halte die ZSG Industrie 26 Punktspiele bestritten, davon 8 gewonnen, 6mal unentschieden gespielt und 12 Begegnungen verloren. Sie belegte den 8. Platz mit einem Torverhältnis von 38:45 und 22:30 Punkten.
Der Platz im Mittelfeld der Tabelle stachelte den Ehrgeiz der Spieler an, In Leutzsch wollte man mehr. Die Mannschaft sollte zu einer Spitzen-Elf der DDR werden. Der Nachwuchsentwicklung wurde große Aufmerksamkeit geschenkt. Um die Förderung und Entwicklung der jungen Talente machten sich die Sportfreunde Merker und Berger verdient, deren Arbeit es zu verdanken war, dass die im Jahre 1950 gegründete BSG Chemie Leipzig mit hervorragend spielenden Jugend- und Schülermannschaften auftreten konnte. Damals gaben junge talentierte Spieler, die ihr Studium an der DHfK bzw. der Karl-Marx-Universität aufgenommen hatten, ihren Spielerpass in Leutzsch ab. So kamen aus Plauen Horst Scherbaum und Gerhard Helbig, von der BSG Erich Zeigner Rudi Krause und Rudi Hecker. Aber die Mannschaft hatte auch Abgänge zu beklagen. Torjäger Hübler schied aus und der elegante Außenläufer Gerhard Richter beendete nach schwerer Beinverletzung seine Laufbahn.
Das Leitungskollektiv, dem die Sportfreunde Karl Plättner, Erhard Kießling (Sektionsleiter) und Erich Quade (Mannschaftsleiter) angehörten, beauftragte Trainer Fritz Krauß mit der Vorbereitung der Mannschaft. Noch ahnten sie nicht, dass sie am Ende der strapazenreichen Saison, in der 18 Oberligamannschaften den Kampf um Punkte aufnahmen, den neuen DDR-Fußballmeister Chemie Leipzig betreuen würden.
Neben dem Exmeister Motor Zwickau hatten auch die Erfurter ernste Ambitionen auf den Titel. Zu ihrem ersten Spiel in der Saison 1950/51 am 3. September 1950 trat die BSG Chemie gegen Lichtenberg 47 an und gewann mit 4:0 (2:0) Toren.
Die Farben der BSG vertraten Busch; Rose, Gödicke; Scherbaum, Eilitz, Polland; Sommer, Krause. Steuer, Fröhlich, Grupe. Die Tore in diesem Treffen erzielten Krause und Sommer (je 2). Schon am 4. Spieltag sind die Leipziger Spitzenreiter. Das intensive Training unter Fritz Krauß zahlt sich aus. Nach 9 Spieltagen, an denen die Leutzscher ungeschlagen bleiben, erwischt es sie ausgerechnet zu Hause, im heimischen Georg-Schwarz-Sportpark mit einer 0:1-Niederlage gegen den ärgsten Widersacher, Turbine Erfurt.
Ausgangs des Jahres 1950 steht Motor Zwickau an der Spitze der Tabelle, ist Halbzeitmeister und befindet sich in solcher Form. dass eine Titelverteidigung sehr nahe liegt.
Aber Chemie Leipzig kann auf seine glänzende Mittelfeldreihe Scherbaum, Eilitz, Polland, die für den Spielfluss sorgt und auf seine fast "hundertjährige" Deckung (Busch - 20, Rose - 39, Brembach - 40) bauen. Die beiden Oldtimer im Verein mit dem ,Benjamin' der Mannschaft Günter Busch, sind nur schwer zu überwinden.
Busch; Rose, Brembach; Scherbaum, Eilitz, Pönert: Sommer, Krause, Steuer, Fröhlich, Helbig - Torschütze Steuer - müssen zwar beim Auftakt zur Rückrunde in Dessau (1:3) eine Niederlage in Kauf nehmen. Mitte der zweiten Halbserie aber zieht Chemie unwiderstehlich davon. In Erfurt gelingt vor 50000 begeisterten Zuschauern gar ein 2:1-Sieg, den Tore von Fröhlich und Grupe sicherstellen. Zwei Spieltage vor dem Ende der Meisterschaft führen die Leutzscher mit 3 Punkten Vorsprung. Das Meisterschaftsrennen scheint schon entschieden. Nur ein einziger Punkt fehlt noch und der müsste im Spiel gegen Stahl Altenburg zu Hause oder in Babelsberg zu holen sein.
Diese Altenburger liefern dem haushohen Favoriten eine erbitterte Abwehrschlacht, kommen in der zweiten Spielhälfte zwar kaum aus ihrem Strafraum heraus, erzielen aber bei einem dieser Entlastungsangriffe das 1:0, das von den Leipzigern trotz aller Anstrengungen nicht mehr wettgemacht werden kann. "Die Form stand kopf", schrieb die Fuwo nach diesem Spiel.
Nun musste die Mannschaft unter ihrem Kapitän Heinz Fröhlich den schweren Weg nach Babelsberg antreten. Gut versteckt in einem Auto machte auch der Meisterschaftskranz die Reise in die Filmstadt mit. Er wurde nicht gebraucht ... In einem Spiel, das ungewöhnliche Härte aufwies, an Dramatik kaum zu überbieten war, kämpften die Babelsberger mit einem Ehrgeiz, als gelte es, für sie selbst den Titel zu gewinnen; Ergebnis: ein 3:2-Sieg für die Filmstädter. Torschützenkönig Hans Schöne bringt zwei Scharfschüsse im Tor Buschs unter, Rose und Grupe stellen jedesmal den Ausgleich wieder her; aber Schusters Kopfballtor bringt die Entscheidung.
Nun sind Turbine Erfurt und Chemie Leipzig nach Punkten gleichauf: 50:18. Das Torverhältnis der Chemie-Elf (66:33) weist darauf hin, dass Chemie die wenigsten Tore aller Oberligamannschaften hinnehmen musste. aber nicht weniger ais 8 Mannschaften erzielten mehr Tore als Chemie. In 34 Punktspielen wurden 19 Spieler eingesetzt. Busch, Fröhlich und Scherbaum waren in allen Treffen dabei. Rudolf Krause erwies sich mit 14 Treffern als erfolgreichster Torschütze der Mannschaft Rolf Sommer war treffsicherer Strafstoßschütze (4 von 5 Strafstößen verwandelte er).
Vor 60000 Zuschauern kam es im Ernst-Thälmann-Stadion in Chemnitz zum Entscheidungsspiel um die DDR-Fußballmeisterschaft zwischen Chemie Leipzig und Turbine Erfurt. Es dauerte lange, bis das Spiel in Fluss kam, zu nervös und zu verkrampft waren die Aktiven. Es stand zuviel auf dem Spiel. Nach 34 schweren Punktkämpfen galt es für beide, die letzten Kräfte zu mobilisieren. Die Erfurter hatten zunächst die größeren Chancen, aber in der 2. Halbzeit kam das Chemiespiel in Fluss. Immer wieder setzte sich der rechte Flügel Krause-Helbig durch. Diese beiden Techniker entschieden auch das Finale. Das 1:0 besorgte "Gag" Helbig. und Rudi Krause schaffte mit einem 18-Meter-Schuß das beruhigende 2:0. Der neue DDR-Meister hieß Chemie Leipzig. Diese Elf bestritt. für die BSG Chemie das Endspiel am 20. Mai 1951: Busch: Rose Brembach; Scherbaum Eilitz, Polland: Helbig, Krause, Zenker, Fröhlich, Grupe.
Die Torschützen jenes Endspiels sind auch heute noch auf das engste mit dem Fußballsport verbunden: Betriebsleiter Dr. Helbig wirkt als Vizepräsident des DFV, Dr. Krause als erfolgreicher DFV-Junioren-Trainer.
Chemie Leipzig nahm mit der Würde auch die Bürde des DDR-Meisters mit in die neue Saison 1951/52. Man erwartete viel von ihr. Die Leitung der BSC Chemie wusste darum und war bemüht die Mannschaft sowohl zu verstärken als auch zu verjüngen. Karl Plättner wurde wieder mit Sektions- und Mannschaftsleitung betraut.
Die Vorzeichen standen günstig. In der Jungliga, die einen dritten Platz belegt hatte, standen entwicklungsfähige Kräfte: Schmidt Vetterke, Kott, Rabe. Weitere junge Spieler machten in der Reserve auf sich aufmerksam: Stieglitz, Brückner, Lohse, Auerbach, Geißler. Man rechnete mit Neuzugängen, die in der Messestadt das Studium aufnehmen wollten: Mücklich aus Dresden, Baumann aus Altenburg, Schüller aus Lauter.
Die Sommerpause 1951 war von großen Sportereignissen geprägt. Im Rahmen der Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin spielte Dynamo Moskau gegen eine DDR-Auswahl, in der Werner Eilitz eine glänzende Partie bot. Mit dieser Begegnung halfen uns die sowjetischen Sportfreunde einmal mehr, das Tor zum internationalen Fußball aufzustoßen.
In der Studenten-Elf der DDR, die am Turnier der Weltfestspiele teilnahm, standen mit Krause, Helbig und Scherbaum weitere Chemie-Spieler. Auch im Frühjahr 1951, als eine repräsentative Vertretung Volkspolens zum ersten Mal die DDR besuchte und gegen unsere Auswahl spielte wurden Chemie-Spieler aufgeboten: Fröhlich, Scherbaum und Eilitz.
Alle diese Aufgaben ließen nur wenig Zeit für eine gründliche Vorbereitung auf die neue Saison. Höhepunkte im Sommer 1951 waren die Gastspiele des Floridsdorfer AC (1:2 vor 45000 Zuschauern) und des HSV (2:2 vor 60000 Zuschauern) im Bruno-Plache-Stadion. Ein bestechendes Spiel bot die Elf gegen den damaligen norddeutschen Meister in folgender Aufstellung: Busch: Rose, Mücklich; Scherbaum, Eilitz, Baumann: Helbig, Krause, Oberländer, Fröhlich, Schül1er. Oberländer (Stahl Thale) wirkte als Gastspieler mit und erzielte beide Tore.
Diese und andere Freundschaftsspiele weckten große Hoffnungen. Zum Meisterschaftsauftakt 1951/52, der 19 Mannschaften am Start sah, lief eine Chemie-Elf auf den Rasen, betreut von Trainer Hans Höfer, die doch ein wenig anders aussah: als man es sich in Leipzig vorgestellt hatte. Aber diese Elf beginnt mit einem Paukenschlag: 7:1-Sieg über Motor Wismar. Am 29. August 1951 spielen für Chemie: Busch; Rose, Mücklich; Scherbaum, Eilitz, Hecker: Weigel, Krause, Zenker Helbig, Grupe. Die Tore erzielten Scherbaum und Grupe je 2, Krause, Helbig und Weigel. Der verheißungsvolle Auftakt erwies sich zunächst nicht als Strohfeuer, die Mannschaft blieb in der Spitzengruppe und hielt Schritt mit den führenden Mannschaften Rotation Dresden und Turbine Halle; Dach die Mannschaftsbesetzung war ständigen Wandel unterworfen, nicht zuletzt bedingt durch Verletzungen von Stammspielern. Sturmregisseur und Torschütze Steuer hatte seine Laufbahn beendet die Verteidiger Gödicke und Brembach die Schuhe an den berühmten Nagel gehängt (zu früh, wie sich bald erweisen sollte).
Chemie war im Oktober noch die erfolgreichste Mannschaft (8:2 Punkte und 6:3 Tore), aber dann kamen im November die "schwarzen Sonntage", mit neuen Verletzungen und neuen Aufstellungssorgen und vor allem mit Niederlagen, wie sie Chemie lange nicht mehr erlebte: 0:5 in Babelsberg, 1:5 gegen Motor Oberschöneweide! Diese Rückschläge lösten einen regelrechten Schock aus in der Mannschaft aber auch in der Leitung. Der Sturz in die Tabellentiefe führt dazu, dass Trainer Hans Höfer den Glauben an die Wiederkehr seiner Elf verliert, und als Lok Stendal am 2. Dezember 1951 im Georg-Schwarz-Sportpark antritt, waren mehr junge Leute aufgeboten worden, als es der Elf zuträglich sein konnte. Von der Stammbesetzung nur noch Busch, Mücklich, Scherbaum und Helbig, alle anderen wurden in die Reserve versetzt. Die Formation mit 7 Neulingen (Brückner, Auerbach, Stieglitz, Weigel, Konzack, Vetterke, Franke) schlug sich tapfer, unterlag mit 0:1 - aber 4 Spieler wurden später langjährige Oberligaaktive. Diese Elf spielte also nur einen Sonntag. Trainer Höfer musste sich revidieren,. nahm später seinen Abschied. Auf nassem, glitschigem Spielfeld, auf "Chemie-Boden", nahmen die Alten gegen Meerane Revanche für die harte Kritik, der sie durch die. Öffentlichkeit ausgesetzt waren: 8:1-Sieg. Der Weggang von Trainer Höfer und von Stopper Werner Eilitz stellte die Mannschaft erneut vor Probleme. Scherbaum schloss zwar die entstandene Lücke, aber weitere Punktverluste waren nicht zu vermeiden. In dieser Situation schmiedeten die Taktiker bei Chemie neue Pläne: Die technisch saubere Klinge, die die Mannschaft immer schlug, wurde um das betont taktische Moment bereichert. So erfand man bei Chemie das "schiefe Viereck", die "hängenden Außenstürmer", auch das Spiel mit dem Ausputzer wurde probiert.
In der Rückrunde folgten auf sehr gute zumeist schwächere Spiele, so dass. am Ende die Mannschaft hinter dem neuen Meister. Turbine Halle und VP Dresden den dritten Platz belegte. Von 36 Spielen wurden 19 gewonnen, 9 endeten unentschieden und 8 gingen verloren; Torverhältnis 90:53; Punktstand 47.25. Rudi Krause wurde Torschützenkönig der Oberliga mit 27 Treffern,. Heinz Fröhlich erzielte 13 Tore. Walter Rose war mit 5 verwandelten Strafstößen erfolgreich. 27 Spieler wurden eingesetzt nur Horst Scherbaum war in allen: 36 Spielen dabei. Das bewies, wie sehr die Mannschaft in einem Umformungsprozess begriffen war.
Ein denkwürdiges Spiel - das beste der Saison, meinten viele Augenzeugen - war das des neuen gegen den alten Meister. Mit großartigem Flachpassspiel wurde Turbine Halle in Leipzig förmlich überrollt und mit 6:0 Toren geschlagen!
Die Reserve-Elf von Chemie Leipzig, in der Pönert und Brembach mitwirkten, holte sich den Titel des DDR-Besten (4:1-Sieg im durch Punktgleichheit notwendig gewordenen Endspiel gegen Turbine Halle).
Nach dem Ende der Punktspiele startete Chemie. unter der Leitung von Fritz Gödicke und Karl Plättner zu einer Reise nach Albanien und trug im Kemal-Stafa-Stadion in Tirana drei Spiele aus: Die Erlebnisse dieser großen Fahrt waren unvergesslich.
Weniger erfreulich waren allerdings die sportlichen Ergebnisse, denn Chemie musste 3 Niederlagen einstecken. Aber diese Niederlagen kamen ohne Eilitz, Krause und Scherbaum, die zur gleichen Zeit in der DDR-Auswahl gegen Ungarn spielten, zustande.
In den beiden offiziellen Länderspielen gegen Polen und Rumänien im Jahre 1952 werden von der BSG. Chemie Fröhlich, Eilitz und Scherbaum aufgeboten.
Beim Meisterschaftsstart 1952/53 spielt folgende Formation für Chemie: Busch: Rose. Eilitz; Polland, Scherbaum, Baumann, Zenker, Konzack, Krause, Fröhlich, Helbig - Torschütze Konzack. Der Neuling Motor Jena wird in der Zeiss-Stadt mit 1:0 bezwungen.
Zum dritten Geburtstag der DDR erhält Gerhard Helbig von der Werkleitung die Auszeichnung als Aktivist; Horst Scherbaum nimmt nach Beendigung seines Studiums an der DHfK den Dienst in der KVP auf und wird damit für die SV Vorwärts spielberechtigt. Die Mannschaft belegt im Oktober den dritten Tabellenplatz Im November aber machen sich bereits wieder Besetzungssorgen bemerkbar, denn Polland, Mücklich, Krause und Fröhlich fallen wegen Verletzung aus. So verdienen sich Willi Conrad, Rolf Lohse, Gerhard Händler und Werni Walther die ersten Sporen, als Chemie den obligatorischen November-Rutsch in der Tabelle vollzieht. Nach dem. 14. Spieltag ist das Ergebnis. völlig unbefriedigend:13:15 Punkte. Die Zuschauer sind von Chemie enttäuscht. Da geben 6 Spieler ihren Entschluss bekannt, künftig die Reihen der KVP und ihrer Sportvereinigung zu verstärken: Fröhlich, Krause, Eilitz; Händler, Mücklich; Baumann. Sie richten die Bitte an das ~Staatliche Komitee für Körperkultur und Sport und an die SV Chemie, ihren bei Chemie verbliebenen Sportfreunden weitere starke Kräfte zuzuführen, damit Chemie im Oberligakampf bestehen kann.
Chemie Leipzig muss also eine neue Elf formieren.. Die Situation hat sich grundlegend verändert; Chemie ist nicht mehr der große Favorit, Chemie Leipzig wird nun vom Publikum bedingungslos unterstützt, zu kämpferischer und spielerischer Leistung getrieben. Die junge Elf, die Elf ohne große Namen, wird vom Senior Walter Rose in unnachahmlicher Weise im Spiel und im Training geführt. Polland, Zenker und Busch sind weitere Stützen für die jungen Leute, wie Werner, Barnickel, Schoppe. Vetterke, Kott, Conrad, Walther und Stieglitz, zu denen später noch Riedel und Koitzsch kommen. 18000 Magdeburger erleben nach Platzsperre in Leutzsch den 6:0-Sieg dieser unbekümmert spielenden Elf über Motor Jena. 30000 bis 40000 Zuschauer säumen in der Folgezeit die Ränge, wenn Chemie spielt. Längst ist der Georg-Schwarz-Sportpark zu eng geworden - Chemie trägt seine Spiele im Bruno-Plache-Stadion aus. Was jahrelang der alten Chemie-Elf nicht gelingen wollte - jetzt schafft man es spielend: Tore fallen wie reife Früchte. Und Walter Rose ist oft unter den Torschützen zu finden. Der 41jährige ist die Seele der Chemie-Elf und die rechte Hand Trainer Walter Richters, der nunmehr die Betreuung der Mannschaft übernommen hat.
Zu Beginn der Saison 1953/54 konstatiert man in Leipzig: Chemie ist wieder eine Macht, die Mannschaft stellt eine eingespielte Einheit dar. 23000 Zuschauer erleben zum ersten Meisterschaftsspiel einen 3:1-Sieg über Rotation Babelsberg durch Tore von Conrad (2) und Barth. So spielte Chemie: Busch; Rose, Lohse, Kott; Stieglitz, Polland; Conrad, Schoppe, Krause. Vetterke, Barth. Der Trainer hieß nun Alfred Kunze. Gegen Stahl Thale kommt die Mannschaft zwar verspätet wegen einer Autopanne im Stadion in Probstheida an, verliert später auch am grünen Tisch die Punkte, aber das ist der große Tag für Rudi Krause. Er erzielt beim 6:3-Sieg alle 6 Treffer. Nachdem die Grün-Weißen lange Zeit ernster Meisterschaftsanwärter waren, errangen sie am Ende der Saison den Titel des Vizemeisters. Turbine Erfurt hatte es endlich einmal geschafft, war vor den Leipzigern ans Ziel gelangt.
Hier die großartige Bilanz der Chemie-Elf die noch einer ausgesprochen konstanten Leistung über die ganze Saison hinweg zustande kam: 28 Spiele wurden ausgetragen, 15 Siege errungen, 5 mal unentschieden gespielt, 8 Niederlagen mussten hingenommen werden. Das Torverhältnis lautete 51:37; der Punktstand betrug 35:21 Punkte.
633000 Zuschauer wollten Chemie spielen sehen; die Elf, die nur 15 Spieler einsetzte, hatte ihre besten Torschützen in Heinz Schoppe (Schützenkönig mit 14 Treffern), Werner Walther (11) und Vetterke (7) sowie in Rose und Krause zwei Aktive, die alle Spiele durchstanden. Es war besonders zu loben, dass in den vergangenen beiden Spieljahren kein Spieler der Chemie-Elf des Platzes verwiesen werden musste.
Seit Jahren wurden in Leipzig Diskussionen mit dem Trägerbetrieb für die Chemie-Elf geführt. Der VEB Lacke und Farben erweist sich immer wieder als zu klein. Stahl LES, das Kirow-Werk, sogar die Leuna-Werke Walter Ulbricht sind im Gespräch. Die Entscheidung fällt im August 1954, als in der DDR die Sportklub-Bildung erfolgt. Chemie Leipzig wird künftig unter dem Namen SC Lokomotive Leipzig spielen. Trainer und Spieler verlassen den Georg-Schwarz-Sportpark in Leipzig-Leutzsch und ziehen um nach dem Stadion des Friedens, Nur einer bleibt zurück: Walter Rose. Es werden Jahre vergehen, bis die Zuschauer wieder in den Georg-Schwarz-Sportpark pilgern.
Im Georg-Schwarz-Sportpark ist es nun nach dem Weggang der Oberliga-Elf ruhiger geworden. Doch in der BSG Chemie wird weiter Fußball gespielt. Walter Rose formiert als Spielertrainer aus ehemaligen Juniorenspielern eine Mannschaft, die in die Bezirksklasse eingereiht wird. Arno Huhn führt im Sportbüro der BSG die Geschäfte Kurt Berger kümmert sich um den Nachwuchs, Otto Thiele und BSG-Leiter Franz Heller schauen nach dem Rechten.
Es sind nur noch wenige Sportfreunde, die für die "kleine Chemie" Zeit und Interesse aufbringen. Chemie Leipzig steht nicht mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit Die jungen Spieler unter Walter Roses Leitung sind ehrgeizig genug1,wenigstens einen Platz in der höchsten Spielklasse des Bezirks anzustreben. Das gelingt jedoch nicht - eine Neugestaltung des Spielbetriebs in der Bezirksklasse führt zum Abstieg der Mannschaft in die Kreisklasse.
Als Dr. Gerhard Helbig die Leitung des VEB Lacke und Farben übernimmt, Günter Busch und Rainer Baumann ihre Oberligalaufbahn beenden und zu Chemie zurückkehren, erhält die Mannschaft neue Impulse, werden. neue Pläne geschmiedet. Rainer Baumann übernimmt 1961 das Training der Mannschaft und schafft gemeinsam mit den Sportfreunden Dr. Helbig, Busch, Wehrfeld (Kapitän), Steinert, Geisler, Lehmann, Döring. Kirsten. Budig, Patschewitz, Lamm, Lorenz, Rothe, Franze, Hildenhagen, Weber und Seifert (dem heutigen stellvertretenden Sektionsleiter) im Duell mit Motor Eythra wieder den Aufstieg in die Bezirksklasse. Das Ziel "Bezirksliga" ist wieder in greifbare Nähe gerückt. Aber ehe es erreicht werden kann, erwacht der Georg-Schwarz-Sportpark zu neuen leben. Die BSG Chemie erhält 1963 die Oberligazugehörigkeit zurück. Ehemalige Spieler vom SC Lokomotive und vom SC Rotation finden nach der Bildung des SC Leipzig hier in Leutzsch eine neue, alte Heimstatt.
Den Spielern und Funktionären der "kleinen" BSG Chemie, die in den Jahren von 1954 bis 1963 in Leutzsch den Spielbetrieb aufrechterhielten, gebührt auch deshalb Dank und Anerkennung, weil sie manche Stunde darauf verwandten, die schöne Anlage des Georg-Schwarz-Sportparks erhalten und pflegen zu helfen. Dank auch der Leitung des VEB Farben und Lacke, die weitsichtig genug war, auch in den Zeiten der "leeren Ränge" die notwendige Unterstützung zu geben.
11.August 1963, 16 Uhr. Georg-5chwarz-Sportpark in Leipzig. Die Fußball-Oberliga-Saison 1963/64 beginnt. und seit vielen Jahren erlebt das Leutzscher Stadion wieder Oberliga-FußbalI. Wer hatte an jenem Tage geglaubt. wer von den 20000 im Stadion, dass dieser Sportpark, diese neue Chemie-Mannschaft in Leipzig zu einem Magnet unseres Fußballs in den folgenden Jahren werden würde, zu einer erfolgreichen Mannschaft?
Eine Neuformierung des Leipziger Fußballs hatte dazu geführt, dass sich Aktive des damaligen SC Lok und SC Rotation zu einer neuen Oberligamannschaft zusammenfanden - Chemie Leipzig. Dieser Mannschaft zu der noch die Zeitzer Bauchspieß und Pacholski stießen, blieb nicht viel Zeit für eine lange Vorbereitung auf die Saison. "So gingen wir frisch in die Meisterschaft, nutzten die Wettkämpfe als Trainingsmittel, wobei wir fast immer ein Höchstmaß unseres Leistungsvermögens erreichten, und hielten diese Frische während der gesamten Saison", resümierte später. nach Beendigung der Saison, Chemie-Trainer Alfred Kunze. Es war ein langer Weg bis zu jenem Tage, als in der ,,Neuen Fußball-Woche" die Schlagzeile erschien: ,,Meistertitel an Chemie Leipzig". Und dieser Weg begann eben an jenem 11.August 1963 mit dem Punktspiel gegen Wismut Aue. Dieter Scherbarth schoss in der 42. und 73. Minute die Tore zum 2:0-Sieg. Und die Zahl 20000! in der Rubrik ,,Zuschauer" wurde bald auch keine Seltenheit mehr. Hatte man dieses 2:0 gegen Wismut Aue vielleicht noch als ziemlich selbstverständlich hingenommen, so schon einige Wochen später ähnliche Erfolge der Leipziger nicht mehr. Hier kann nicht der gesamte Meisterschaftsweg dieses Jahres nachgezeichnet werden, aber es sei an einige Stationen auf dem Weg nach Erfurt, auf dem Weg zum Titelgewinn, erinnert...
Schon nicht mehr selbstverständlich wurde die Tatsache hingenommen, dass Chemie Leipzig erst am achten Spieltag. mit dem 0:1 beim SC Empor Rostock, die erste Punktspielniederlage hinnehmen musste. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Leutzscher bereits den Kampf mit den vermeintlichen Favoriten dieser Saison, den Rostockern, dem ASK Vorwärts Berlin und Titelverteidiger SC Motor Jena, aufgenommen. Vor jenem 0:1 in Rostock lagen immerhin ein 2:0 gegen Jena, ein 3:0 gegen den damaligen SC Leipzig, ein 1:1 in Magdeburg, ein 1:1 in Stendal....
Die Grün-Weißen aus Leipzig-Leutzsch waren inzwischen zu einem Begriff geworden. Anfangs von einigen renommierten Mannschaften offensichtlich nicht ernst genommen. entwickelte Chemie einen kraftvollen, unkomplizierten Erfolgsstil. Freilich, es gab technisch-spielerisch reifere Mannschaften in unserer Oberliga, aber Chemie hatte allen anderen die Kampfkraft, die Energie, den Siegeswillen bis zur letzten Spielminute voraus. Die Mannschaft wollte beweisen, dass sie stärker war, als viele Experten vermuteten.
Die Abwehr um den eisenharten, sich selbst nie schonenden Manfred Walter wurde zum Inbegriff von Sicherheit und Resolutheit. Pacholski, Behla, Scherbarth entwickelten sich zu torgefährlichen, wuchtigen Stürmern, klug geführt von Bernd Bauchspieß, dem ehemaligen National- und Juniorenauswahlspieler unserer Republik. Und mit den Anfangserfolgen bekam die psychologisch geschickt geführte Mannschaft Sicherheit Selbstvertrauen. Sie hatte schon nach dem ersten Drittel der Meisterschaft kaum noch etwas zu verlieren, aber viel zu gewinnen. Man rätselte damals oft über das "Geheimnis" der Chemie-Elf. In einer Zeitungsbetrachtung wurden die Gründe des Erfolgs dann sehr treffend so gekennzeichnet: ,,Es ist sicher nicht allein der vielgerühmte Kampfgeist es ist auch nicht die wuchtige, athletische Spielweise vieler im grünweißen Dress, obwohl beide Eigenschaften dazugehören. Es ist vielmehr ... die Tatsache, dass Chemie Leipzig Sonntag für Sonntag immer ziemlich nahe an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit herankommt. Nur so ist es zu erklären, dass es bei den Leipzigern bisher nicht einen rabenschwarzen Tag oder besser gesagt einen Einbruch gegeben hat (alle Niederlagen waren knapp - die höchste in Jena mit 1:3)."
Vor allem in den Heimspielen vermochte die Chemie-Elf diese Stärken gut zur Geltung zu bringen. Sie blieb in der Saison 1963/64 auch als einzige Oberligamannschaft ohne Heimniederlage. Aber ein Teil des großen, starken Publikums leitete aus dieser Tatsache leider falsche Schlussfolgerungen ab. Auch Chemie war zu Hause nicht unüberwindlich, leistete sich auch einmal etwas schwächere Partien. Und so kam es beim ersten Punktverlust im heimischen Stadion, beim 1:1 gegen Motor Zwickau am 11. Spieltag, zu Zuschauerausschreitungen gegenüber dem Schiedsrichterkollektiv. Es gab eine Platzsperre. Solche Vorfälle wiederholten sich einige Male in den folgenden Jahren weil sich im Sog der Fußballbegeisterung Zuschauer in das Chemie-Publikum einschlichen, die Begeisterung, Fairness. sportliches Verhalten nicht in Einklang zu bringen wussten.
Zu Beginn der zweiten Halbserie war Chemie Leipzig längst nicht mehr Außenseiter im Titelkampf. Die erste Halbserie jenes Punktspieljahres wurde mit dem dritten Tabellenrang abgeschlossen, hinter Empor Rostock und dem ASK Vorwärts Berlin, Mit diesen beiden Mannschaften waren auch die beiden großen Mitfavoriten gegeben später kam dann noch der damalige SC Leipzig hinzu.
Dieser packende Kampf um die vorderen Tabellenplätze währte praktisch bis zum Schluss. Eine wichtige Vorentscheidung fiel am 23. Spieltag. Chemie gewann (ohne den verletzten Regisseur Bauchspieß) in Zwickau mit 2:1. Das war die erste Heimniederlage der Zwickauer in jener Saison, für die Leipziger war dieser hart erkämpfte Erfolg von psychologisch großer Bedeutung. In der 82. Minute sicherte Dieter Scherbarth den knappen Sieg, Chemie hielt den zweiten Tabellenrang, nur einen Punkt hinter Spitzenreiter Empor Rostock. Viele glaubten zu diesem Zeitpunkt freilich an einen längst fälligen Titelgewinn der Ostseestädter, die am gleichen Tage in Karl-Marx-Stadt mit 3:1 erfolgreich gewesen waren, was die "FUWO" zu der Schlagzeile bewog: ,,In der Haltung eines würdigen Titelträgers SCK sicher beherrscht."
Doch wie gesagt das 2:1 in Zwickau war für die Grün-Weißen von besonderer Bedeutung ,,Nach dem .Erfolg in Zwickau kam in der Mannschaft erstmals der Gedanke auf, dass der Kampf um den Meistertitel real und möglich sei", erklärte nach. Meisterschaftsabschluss Trainer Kunze in der ,,Leipziger Volkszeitung". "Vor jenem Spiel hatte niemand in der Mannschaft diesen Gedanken, dieses Ziel laut geäußert, obwohl sicher einige mit dieser Möglichkeit spielten. Nun aber wurde dieses Ziel bewusst in unsere Vorhaben einbezogen."
Aber es standen noch drei Punktspieltage aus. Zunächst wurde der SC Aufbau Magdeburg 1:0 bezwungen. In einem Zeitungsbericht über das Spiel in Leutzsch hieß es: ,,Es war ein Sturm, ein Orkan geradezu, der über die Magdeburger hinwegbrauste, als die Leipziger, lautstark von ihrer begeisterten Anhängerschar angefeuert, das gegnerische Tor immer und immer wieder berannten..." Am gleichen Spieltag hatte Rostock in Stendal 1:2 verloren, und der SC Leipzig schaltete in Berlin die Vorwärts-Mannschaft durch ein 2:0 aus dem Titelkampf aus. Chemie war Spitzenreiter
Nach dem vorletzten Spiel gegen Vorwärts Berlin hieß es in der "FUWO": Vor der Saison-Zuschauerrekordzahl von 45000 im Leipziger Zentralstadion triumphierten die geballte Kraft, der unbeugsame Wille, aber auch das konsequente Ausnutzen der Möglichkeiten der Chemie-Elf über den ASK Vorwärts, wurde durch das 2:1 über Vorwärts eine weitere Hürde genommen. Jetzt reicht Chemie schon ein Unentschieden in Erfurt."
Doch mit diesem Unentschieden im Abschlussspiel in Erfurt hatte es eine besondere. Bewandtnis, denn der SC Turbine Erfurt brauchte unbedingt einen Heimsieg, um den Klassenerhalt zu sichern. Eine Woche später lauteten dann die Schlagzeilen in den Zeitungen: "Innerhalb von sechzig Sekunden schlug Chemie zu: 2:0 und Titel!" Zunächst hatte Behla in der 12. Minute die Leipziger mit 1:0 in Front gebracht, wenig später ließ sich Kapitän Manfred Walter eine Elfmeter-Chance nicht entgehen. Noch Jahre später äußert der Kapitän, nach der freudigsten Erinnerung seiner auch international nicht unbedeutenden Laufbahn befragt: ,,Das war das 2:0 in Erfurt, als Chemie Meister wurde." Diese Mannschaft sicherte vor 30000 Zuschauern, unter ihnen 10000 Schlachtenbummler aus Leipzig den Titel im Erfurter Georgi-Dimitroff-Stadion: Sommer, Krause, Walter, Herrmann, Herzog, Slaby, Pacholski, Lisiewicz, Scherbarth, Sannert, Behla. Zwangsweise Zuschauer auf der Betreuerbank war der verletzte Bauchspieß ("Es ist einfach furchtbar, am Spielfeldrand zusehen zu müssen. Draußen kostet es bald noch mehr Nerven als beim Mitspielen. Wenn es so weitergegangen wäre, dann hätte ich bald vor Aufregung wieder mit dem Rauchen angefangen...")
Nach dem Spiel blieb es nicht aus. dass die begeisterten Anhänger Jerseys und Schuhe als Souvenirs verschwinden ließen, dass am Lorbeerkranz kaum noch ein Blatt zu finden war. . . Eine Leipziger Tageszeitung formulierte, dass Chemie wie ein "Phönix aus der Asche" gestiegen sei. Dieser 10. Mai 1964 in Erfurt war der Schlusspunkt unter eine Summe guter Leistungen der Leipziger, die aus ihren Möglichkeiten, ihren arteigenen Stärken viel machten und manchem Favoriten ein Schnippchen schlugen. Chemies Kampfgeist, Einsatzfreude. taktische Disziplin wurden sprichwörtlich in unserem Fußball, auch wenn manchmal die sehr harte, resolute Spielweise der Grün-Weißen nicht überall auf Gegenliebe stieß. Und mit dem Aufstieg der Chemie-Elf kamen vor allem drei ihrer Spieler ins Gespräch - Walter Bauchspieß, Lisiewicz. Sie waren tragende Kräfte der Leipziger Mannschaft, gehörten dann im Herbst 1964 zu unserer Olympiamannschaft die in Tokio die Bronzemedaille beim olympischen Fußball-Turnier erkämpfte.
Mit dem Meisterrang feierte die Sektion Fußball der BSG Chemie Leipzig noch einen weiteren schönen Erfolg. der freilich etwas verblassen musste. Die Reservemannschaft wurde Vizemeister hinter dem souverän führenden SCL. Die Höhndorf, Kühn, Ohm, Kupke, E. Walther, Gawöhn, Kramer erwiesen sich als gute ,,Reservisten".
Der Meisterschaftserfolg war maßgebend für den Ruf, den sich die Chemie-Mannschaft in den folgenden Jahren erwarb. Chemie war nicht mehr Außenseiter, sondern ein sehr ernst genommener, gefährlicher Gegner. Viele Mannschaften hatten sich auf die Spielweise, die Stärken der Leutzscher eingestellt. Wo die spielerischen Grenzen der Chemie-Elf lagen, zeigten dann die Europapokalspiele gegen Ungarns Landesmeister Vasas Györ im September 1964. Der DDR-Meister konnte nicht einmal das Heimspiel gewinnen (0:2) und musste dann auch im Rückspiel in Ungarn mit 2:4 den Kürzeren ziehen schied bereits in der ersten Europapokalrunde aus, obwohl er sich in unserer Meisterschaft so imponierend in Szene gesetzt hatte.
Dennoch konnten sich die Leipziger in der folgenden Meisterschaft 1964/65 recht achtbar behaupten. Sie belegten den dritten Tabellenrang, Bernd Bauchspieß wurde mit 14 Treffern der Torschützenkönig dieser Saison. 6:0-Siege gegen den SC Neubrandenburg und Motor Steinach, ein 3:0 gegen den späteren Vizemeister aus Jena gehörten zu den Glanzpunkten dieser Serie. Und im lntercup wurde Chemie mit 10:2 Punkten Gruppensieger vor Slovnaft Bratislava, FC Zagreb und Pogon Szczecin.
Die Meisterschaftssaison 1965/66 hatte für die Leipziger zwei Seiten. In den Punktspielen zeigte sich, dass es immer schwerer werden würde, sich erfolgreich zu behaupten. Wohl vermisste die Mannschaft auch das heimische Stadion in Leutzsch, das wegen Umbauarbeiten geschlossen war. Es reichte für Chemie Leipzig in der Endabrechnung nur zu einem 8. Platz, aber als es sehr bedrohlich wurde, als die Abstiegsgefahr akut war, bewies die Mannschaft. ihre Kämpferqualitäten, wie einst in erfolgreicheren Punktspielzeiten. In den folgenden Jahren sollte sie noch öfters in diese Situation kommen. Aber gerade in jenem Jahr, als es in den Punktspielen nicht so, "lief", erkannte die Chemie-Elf ihre Chance im FDGB-Pokalwettbewerb.
Nach jenem 10. Mai 1964 in Erfurt mit dem Meisterschaftsgewinn erlebten die Leutzscher am 30. April 1966 einen weiteren großen Tag - sie wurden Pokalsieger Es war ein schwer erkämpfter, mühevoller 1:0-Sieg in Bautzen gegen Lok Stendal. "Die Begeisterung unter Spielern, Offiziellen und dem lautstarken Anhang der Grün-Weißen kannte nach Spielschluss in Bautzen verständlicherweise keine Grenzen, sie musste vom kritischen Beobachter aber auch so gedeutet werden: Selten in letzter Zeit wirkte die Elf derart unausgeglichen wie bis zur 60. Minute dieser Partie, die der Gegner über weite Strecken eindeutig beherrschte und schon entschieden haben konnte, als Chemie endlich den Faden fand, überlegter und selbstbewusster auftrumpfte", hieß es im Endspielbericht der "Neuen Fußball-Woche" vom 3. Mai 1966. "Aus diesem Grunde kam die riesengroße Freude auch einem Stoßseufzer gleich: Wir haben es doch noch geschafft!"
Tatsächlich war auch dieses Finalspiel typisch für die Chemie-Elf. Auch in Spielen, die nicht nach ihrem Willen verliefen, resignierte sie nicht suchte immer wieder ihre Chance überspielte oder überkämpfte auch schwächere Momente. Das gelang auch in Bautzen, bis Hans-Bert .Matoul, ein Neuzugang in jener Saison, in der 73. Minute vor 15000 Zuschauern den spielentscheidenden Treffer. markierte. Auf dem Weg zum Pokaltriumph gab es - mehrere Treffen,. in denen die Chemie-Mannschaft ihre Pokalfighterqualitäten unterstrich. Ganz bestimmt muss man das Viertelfinalspiel in Aue dazu rechnen. Die Gastgeber schienen schon. der klare Gewinner zu sein. führten in der 41. Minute bereits mit 2:0. Doch die Gäste steckten nicht auf. Dreimal ließ sich Bauchspieß die Chance nicht entgehen, bei einem Treffer, einem sehenswerten Tor, überraschte er den Wismut-Torwart Thiele, als der zu weit vor dem Tor postiert war, gar mit einem 40-m-Schuß. Im Halbfinale ließen sich dann die Grün-Weißen ihre Heimchance nicht entgehen. Bauchspieß und Matoul sorgten für das 2:0 gegen Motor Zwickau, sicherten die Finalteilnahme. Und im erfolgreichen Pokalendspiel waren dann mit Krause, Walter, Herrmann, Herzog, Slaby, Behla, Scherbarth und Lisiewicz acht Spieler mit von der Partie, die knapp zwei Jahre zuvor im Erfurter ,,Endspiel" den Meistertitel sicherten. Bernd Bauchspieß musste diesmal nicht nervös auf der Betreuerbank hin- und herrutschen...
Wieder stand Chemie Leipzig in einem Europapokal-Wettbewerb. diesmal der Pokalmeister. Diesmal wussten sich die Leipziger besser aus der Affäre zu ziehen, denn der polnische Kontrahent Legia Warschau wurde ausgeschaltet (3:0 und 2:2), aber an Belgiens Vertreter Standard Lüttich scheiterte Chemie im Achtelfinale nur knapp (2:1 und 0:1), auf Grund des einen Auswärtstores, das Standard in Leipzig geschossen hatte.
Doch auch im Fußball zählen Erfolge nicht lange. Die Kontrahenten halten sich nicht bei Lobeshymnen auf. So geht Chemie nach dem Meister- und Pokalsiegerjahr schweren Zeiten entgegen. Die Mannschaft besitzt nicht mehr die Ausgeglichenheit der ersten Erfolgsjahre. Einige Spieler schwankten in ihren Leistungen. Der Nachwuchs ist spärlich gesät, nur wenige junge Spieler finden als gleichwertige Akteure in diese Mannschaft. Und viele Mannschaften der Republik haben aufgeholt Chemies athletischer Kampfstil ist zum Allgemeingut geworden. Es wird immer schwerer, die arteigenen Vorzüge zur Geltung zu bringen. So muss Chemie Leipzig die nächste Saison mit dem drittletzten Tabellenplatz abschließen. Vor dem abschließenden Spiel gegen den bereits feststehenden neuen Meister FC Karl-Marx-Stadt ist zwar alles längst entschieden, der 2:1-Sieg ist nicht mehr von großer Bedeutung, aber vor diesem Ausklang hatten die Leipziger bange Wochen zu überstehen, bis schließlich der BFC Dynamo und Wismut Gera distanziert, auf die beiden letzten Tabellenplätze verwiesen wurden. Dieses Spiel ist zugleich das Abschiedsspiel für den scheidenden Cheftrainer Alfred Kunze, es ist das letzte Oberligaspiel des langjährigen Oberliga-Schiedsrichters Fritz Köpcke.
Ein reichliches Jahr später wird es für Chemie allerdings wesentlich dramatischer, für die Anhänger der Mannschaft viel, viel aufregender. Chemie muss zu Dynamo Dresden, der Kampf gegen den Abstieg hat seinen Höhepunkt erreicht. Auch die Dresdener sind in Abstiegsgefahr. Wer dieses letzte Spiel der Saison 1967/68 verliert, muss die Oberliga verlassen. Vor 30000 Zuschauern müssen die Leipziger erneut ihre Kampfkraft. ihre Erfahrung. Ihren Siegeswillen beweisen. Allerdings diesmal unter anderen Vorzeichen. 1964 und 1966 um Meisterschaft und Pokal, nun im allesentscheidenden Kampf gegen den Abstieg! Hinzu kam, dass sich Lok Stendal hätte auch noch retten können, denn die Altmärker empfingen den FC Carl Zeiss Jena, der als neuer Meister bereits feststand. Nach dem Spiel überschäumende Freude in der Kabine der Leipziger. Es war wieder einmal geschafft. Manfred Richter hatte in Dresden das 1:0 für Chemie erzielt nach der Pause glich Gumz aus. Die Leipziger hatten eine beängstigende Schlussviertelstunde zu überstehen. Dynamo Dresden setzte alles auf eine Karte. Rettungsaktionen für den geschlagenen Torwart Jany auf der Torlinie, viele Schüsse, die knapp das Ziel verfehlten, Doch dann kam endlich der Schlusspfiff von Schiedsrichter Einbeck - 1:1! Dieses Unentschieden reichte Chemie auf Grund des besseren Torverhältnisses gegenüber Dynamo Dresden zum Klassenerhalt, zumal Lok Stendal zu Hause gegen Jena 1:4 verloren hatte. Bei 21:31 Punkten für Chemie und Dresden lautete das Torverhältnis 26:32 gegenüber 25:33. Auf den Tag genau zwei Jahre nach jedem dramatischen Dresdener Spiel sagte mir Manfred Wolter, ein erfahrener, hartgesottener Kämpe, der beim Meistertriumph und dem Pokalsieg dabei war: "Dieses Spiet werde ich wohl immer im Gedächtnis behalten. Es war das schwerste, das aufregendste Spiel meiner Laufbahn. Wir hatten Glück, aber wie haben alle tapfer gekämpft Der Kollektivgeist in unserer Mannschaft bewährte sich wieder einmal."
Noch jenem denkwürdigen Spiel in Dresden ging es wieder aufwärts bei Chemie. 1969 wurde unter der Leitung des neuen Trainers Otto Tschirner der sechste Tabellenrang belegt ein Jahr später, im Jahr des zwanzigsten Bestehens der BSG Chemie Leipzig, erklomm die Mannschaft den vierten Tabellenplatz, ja wurde erst am letzten Spieltag vom "bronzenen" dritten Platz verdrängt; und zwar von Dynamo Dresden, dem Kontrahenten jenes Spiels gegen den Abstieg Mit Trojan, Krauß, Dobermann, Skrowny, Jany fanden neue Spieler in die Mannschaft, versuchen nun fortzusetzen, was in den Jahren 1964 bis 1966 in Leutzsch erreicht wurde. Geblieben sind der Kampfgeist, die Energie, der Siegeswille der Grün-Weißen.
Und wenn man von den Erfolgen der letzten Jahre spricht, vergisst man wohl zu oft dass 1969 in der Junioren-Oberliga ein beachtlicher 6. Platz eingenommen wurde, 1970 der 6. Platz. Eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit von Kurt Neustadt und Gerhard Polland!
Dieter Sommer, der Torwart vom Meisterschaftsendspiel 1964 in Erfurt, erntete 1970 erste Trainererfolge. Die 2. Mannschaft von Chemie Leipzig wurde Bezirksmeister und Pokalsieger im Bezirk und schaffte den Aufstieg in die Liga, die zweithöchste Spielklasse unserer Republik. Auch das lässt für Chemies Zukunft hoffen.
Man schrieb das Jahr 1951. Die Fußballmeisterschaft unserer Republik hatte ihre Spannung bis zum 34. Spieltag behalten. Zwei Mannschaften hatten die Mammutdistanz punktgleich überstanden: Turbine Erfurt und Chemie Leipzig Das Konto beider Vertretungen wies 50:18 ,,Zähler" aus. Laut Reglement hieß das Entscheidungsspiel
Man schrieb den 21. Mai 1951. Im Karl-Marx-Städter Ernst-Thälmann-Stadion wartete ein ausverkauftes Haus auf den Anpfiff der die Meisterschaft bedeutenden Partie. Das erste Tor der Leipziger Chemiker schoß Gerhard Helbig, das zweite der Halbrechte der Grün-Weißen: Rudolf Krause. Der heutige Dr. paed. stellte mit diesem Treffer das Endresultat der Meisterschaftsentscheidung her. Dr. Krause erinnert sich an dieses Spiel noch so genau, als hätte es gestern erst stattgefunden. ,,Den ersten Treffer bereitete ich nach einem Dribbung zur Grundlinie, dem der Rückpaß folgte, für Gerhard vor. Den zweiten Treffer erzielte ich mit einem 20-m-Schuß."
Toreschießen gehörte zu seinen fußballerischen Qualitäten, obwohl er kein eigentlicher ,,Sturmtank" war. ,,Meine Tore waren vielleicht weniger schön, so mehr Abstauber, aber sie fielen", meint Rudi Krause. Immerhin gehörte er in der Saison 1951/52 zu den Torschützenkönigen der Oberliga. Mit Kurt Weißenfels von Lok Stendal teilte er sich diesen Rang. Beide hatten in 36 Meisterschaftsspielen 27mal ins Schwarze getroffen. Krause's Aufgabe im Chemie-Spiel trug aber nicht nur torgefährlichen Charakter. Sein strategisches Spielvermögen, sein Blick für die überraschende Situation, das gewisse ,,Etwas" im Vorausdenken machten ihn zu einem Dreh- und Angelpunkt im Gefüge dieser verschworenen Elf. Andere spielerische Stärken von ihm hießen Ausdauer, Vorliebe für technisch-brillantes und schnelles Spiel. Obwohl - wie Dr. Krause heute nüchtern und sachlich konstatiert - er kein besonders schnellfüßiger Spieler war.
Rudi Krause, mittlerweile 43 Jahre alt (man darf getrost auch 43 Jahre jung formulieren), hat die schönste Zeit seiner l2jährigen Laufbahn als Oberiiga-Fußballer in dieser Chemie-Mannschaft verbracht. Im Kreise seiner Kameraden, die da Eilitz, Scherbaum, Fröhlich, Walther, HeIbig, Polland, Rose oder Stieglitz hießen. Ende 1949 kam er zu ihnen, wechselte von Probstheida nach Leutzsch. Hier im Georg-Schwarz-Sportpark konnte der technisch versierte Akteur auf seiner Lieblingsposition, der des rechten Halbstürmers, spielen. Aber nicht das war eigentlich ausschlaggebend dafür, daß seine Sportgemeinschaft heute noch Chemie Leipzig heißt. Auch die gewiß nicht unwesentliche Tatsache, daß er seinerzeit mit offenen Armen empfangen worden ist und dadurch sein Selbstvertrauen naturgemäß wuchs. Und auch nicht die Tatsache, daß er in dieser Formation seinen größten Erfolg als Aktiver hatte. Dr. Rudi Krause erinnert sich, und zwar ziemlich gern: ,,Freilich habe ich in den Spielen erst einmal beweisen müssen, ob ich eine echte Verstärkung war. Aber diese Chemie-Elf war vielmehr eine wirkliche Kampfgemeinschaft, deren Ruf auf gutem spielerischen Potential fußte. Die älteren Spieler, beispielsweise Walter Rose oder Werner Brembach, haben uns das Kämpfen beigebracht, haben uns immer wieder mitgerissen. Und dann die wunderbare Atmosphäre zwischen Mannschaft und Publikum, die kameradschaftliche Hilfe des Betriebes! Manchmal haben wir ohne Trainer auskommen müssen. Da wurde die taktische Linie im Kollektiv selbst erarbeitet, da wurde innerhalb der Mannschaft niveauvoll diskutiert, festgelegt und ausgewertet. Das alles festigte, schweißte zusammen und machte aus einzelnen Spielern eine wirkliche Mannschaft."
Der ehemalige ,,Chemiker", der 1950 an der Leipziger Universität sein Examen als Sportlehrer, 1951 das als Jurist ablegte, könnte noch seitenlang über diese Zeit erzählen, ohne daß beim Leser auch nur die Spur von Langeweile aufkäme.
Man schrieb den 19. Juni 1970. Im Kulturhaus des VEB EVK Böhlen wird die Fußball-Juniorenauswahl der DDR für den UEFA-Turniersieg in Schottland vom Zentralrat der FDJ mit der Artur-Becker-Medaille in Gold ausgezeichnet. ,,Die gleiche Ehrung wurde DFV-Vizepräsident Dr. Gerhard Helbig sowie den Trainern Dr. Krause und Werner Walther zuteil", heißt es in der von den Tageszeitungen der DDR veröffentlichten Meldung weiter. Drei Ex-Chemiker erhielten die höchste Auszeichnung des Jugendverbandes unserer Republik.
Dr. Rudi Krause übernahm am 1. August 1968 das Amt als Nachwuchstrainer des DFV der DDR, erfolgreich, wie die Fußballfreunde wissen. Der ,,Verdiente Meister des Sports" verschweigt es nicht: Viele Erfahrungen ,,seiner" 50er Jahre bei Chemie Leipzig haben für seine anerkannte Arbeit in diesem Bereich Pate gestanden. Der Trainer nennt die wichtigste Erfahrung: ,,Fußball ist das Spiel einer Gemeinschaft, ist kollektives Spiel. Bei Chemie wurde das (auch heute noch, d. Verf.) in idealem Maße demonstriert." Eine reife, abgerundete Leistung ist stets das Ergebnis mannschafts-taktischer Bemühungen, das Ergebnis fruchtbarer Diskussionen.,, In der Uberzeugung wird eine spielerisch-taktische Linie durchgesetzt. Die gemeinsame Auffassung ist das Ideal, das ich anstrebe", erläutert Dr. Krause seine Prinzipien. Und fügt ein weiteres hinzu: Mannschaftsdisziplin. ,,Wenn sich eine kämpferische Einstellung und die technisch-taktischen Mittel jedes einzelnen zu den Interessen des Kollektivs vereinen, dann ist die Voraussetzung für einen Erfolg auch gegeben."
Eine Erfahrungssache, auch wenn das Erfahrungsammeln scheinbar so weit zurückliegt. Aber es war gründlich ...
Gemeint sind die Bilder der Erinnerung an die zweimalige Trainertätigkeit bei der BSG Chemie. Sie tauchen auf aus den Erlebnissen mit den prächtigen Kollektiven der Jahre 1953-1955 und 1963-1967. Es waren selbstverständlich zwei verschiedene Mannschaften. Lagen doch zwischen meinen beiden Trainer-Starts in Leutzsch genau 10 Jahre. Und trotzdem Ubereinstimmung?
In beiden Fällen hatte ich es mit Aktiven zu tun, die die richtige Einstellung mitbrachten. Sie wußten, was sie wollten, und zogen unter der Führung hervorragender Spielerpersönlichkeiten alle an einem Strang. Sie trieben sich gegenseitig an, sparten weder mit Kritik noch mit Selbstkritik und nannten in freimütiger Atmosphäre die Dinge beim Namen. Natürlich gab es auch Spannungen, aber letzten Endes siegte immer das Zusammengehärigkeitsgefühl, der Mannschaftsgeist. Der Trainer hatte ein leichtes Arbeiten. Mir gefiel der offene Ton und der Scherz, der mich einbezog, ohne daß dabei auch nur einmal die unsichtbare Grenze der Autorität überschritten wurde. Daß es ein gutes Verhältnis gewesen sein muß, beweist die herzliche Freude, die wir empfinden, wenn wir uns jetzt gelegentlich wiedersehen.
Während der Saison 1953/54 befanden wir uns im Trainingslager. Eines Abends nach dem Essen hörte ich auf meinem Zimmer Lärm aus dem Aufenthaltsraum. Eine ,,Inspektion" ergab: Leere und halbleere Wodkaflaschen und Gläser auf den Tischen, sangeslustige Spieler darum herum. Meine Reaktionen waren ein finsteres Gesicht und Vorwürfe. Zum ,,Probieren" aufgefordert, stellte ich fest, daß sich in den Flaschen und Gläsern Wasser befand. Die Worte: ,,Trainer, wie konnten Sie nur annehmen..." habe ich lange mit mir herumgetragen.
Am Himmelfahrtstag 1964,drei Tage vor dem alles entscheidenden Spiel in Erfurt, unternahm die Mannschaft - es war trainingsfrei - ohne mein Wissen eine ,,Herrenpartie" nach Grimma' um sich dort bei einem Essen und ohne Alkohol zu versichern, am Sonntag alles geben zu wollen. Kann man mehr verlangen?
Beide Chemie-Mannschaften waren sich im Spiel irgendwie verwandt. Sowohl die der fünfziger als auch die der sechziger Jahre zeigte einen zweckmäßigen Fußball, besaß Biß und einen Stil, der den Erfolg stärker suchte als die Eleganz. Die "Neuen" kämpften vielleicht leidenschaftlicher, bedingungsloser, die ersteren wohl routinierter. Beide konnten und taten das, was die Fußballanhänger sehen wollten: Sie verstanden es, den Willen und das Herz in ihr Spiel zu legen.
So kamen die Zuschauer immer in Scharen. Damals wie später waren es 20-, 30-, ja über 40000, wenn die Grün-Weißen im Meisterschaftsrennen mit vorn lagen. Damals wie später sprangen die Funken über von den Rängen auf das Feld, von den Spielern zu den Anhängern. Und das ist geblieben. Geblieben sind auch, neben der Freude an der großen Anteilnahme, kleine Sorgen mit den Fans.
Jeweils mein erstes Chemie-Jahr war nach außen das erfolgreichste der Mannschaft: 1953/54 Vizemeister, 1963'64 Deutscher Fußballmeister der DDR. Da 1964/65 noch der dritte Platz und ein Jahr später der Pokalgewinn dazukamen, befinden sich in meinem Erinnerungsschrank alle vier Medaillen, die unser Fußballverband vergibt. Ich verdanke sie den Chemiespielern beider Generationen. Kein Wunder, daß ich gern an jene Jahre zurückdenke.
Wir Chemiker haben immer etwas Wirbel gemacht. 1953/54 dadurch, daß wir eine Art 4-2-4 praktizierten, obwohl dieses System offiziell noch gar nicht erfunden war. Dies geschah erst vier Jahre später. 1963/64 erregten wir Aufsehen, weil wir uns nicht an die gestellten Prognosen hielten. Auch die Abstiegssorgen gehören hierher, die ich mit beiden Kollektiven und den vielen Anhängern teilen mußte. Sie wurden zwar behoben, versetzten unsere treuen Freunde jedoch in große Unruhe. Wir lernten in beiden Perioden meiner Tätigkeit bei Chemie die Höhen und Tiefen unserer Sportart kennen. Ich denke, daß dies nützlich war, besonders deswegen, weil wir damit fertig wurden.
Der große Erfolg im internationalen Maßstab blieb unserer Oberliga Mannschaft versagt. Sie hat jedoch seit 1951 wiederholt das Fußballfeuer in unserer Messestadt entzündet. Daß ich einige Male dabei sein durfte, ist mir eine bescheidene Genugtuung. Die Nennung der Stammspieler ,,meiner" Jahre bei unserer Chemie soll den Dank an die Aktiven ausdrücken und für die gegenwärtige Mannschaft ein Ansporn sein:
Busch; Riedel, Rose, Zenker, Barth; Stieglitz, Polland; Walther, Krause, Schoppe, Vetterke; Geißler, Conrad, Kott und Lohse.
Sommer; Herzog, Walter, Krause, Herrmann; Slaby, Lisiewicz; Pacholski, Bauchspieß, Scherbarth, Behla; Mataul, Richter und Sannert.
Wenn wir in diesen Jagen das 20. Jubilöum der BSG Chemie Leipzig feiern, dann bin ich doch froh darüber, daß unser Oberliga-Kollektiv heute wieder etwas von dem verkörpert, was man Anfang der 50er und 60er Jahre die Erfolgself nannte. Diese erfolgreiche Arbeit, ein Ergebnis echter Gemeinschaftsarbeit zwischen Leitung, Trainer-und Spielerkollektiv, spiegelt sich eigentlich in allen Bereichen unserer Sektion wider. Deshalb möchte ich an dieser Stelle als Cheftrainer allen Aktiven, angefangen bei unseren Jüngsten, Ubungsleitern, Trainern und Funktionören den Dank aussprechen.
In diesem Heft wurde bereits viel über Vergangenheit und Gegenwart geschrieben. Ich möchte meinen Gedankenstreifzug in etwas anderer Richtung beginnen. Irgendwo habe ich einmal in einer Zeitung gelesen, daß die Ursache des schwachen Abschneidens unseres Oberliga Kollektivs in den Jahren 1966/67 und 1967/68 darin zu suchen sei, daß man auf den Methoden verharre, die Jahre zuvor den Erfolg brachten und dabei nicht berücksichtige, daß sich die anderen dem Chemie-Stil anpaßten bzw. weiter-entwickelten.
Mag es gewesen sein, wie es will. Ich möchte versuchen, etwas von dem zu schreiben, was meiner Meinung nach die Ursachen für den stetigen Leistungsanstieg waren.
Als ich am 1. Februar 1968 meine Trainertätigkeit begann, hatte die BSG-Leitung mir die Aufgabe gestellt, eine Konzeption zu erarbeiten, um das ,,Tal" (14. Tabellenplatz) schnellstens zu verlassen. Wenn auch mit etwas Glück - wir entkamen dem Abstieg. Doch wir hatten bereits den Grundstein für eine erfolgreichere Arbeit gelegt.
Eine qualitative und quantitative Veränderung im Trainingsprozeß, die restlose physische Hingabe aller Spieler, zweckmäßige Mannschaftsarbeit, größtmögliche taktische Disziplin, konsequente und leistungsorientierte Leitungsarbeit und die Unterstützung unseres großen Anhangs waren die Voraussetzungen für den Aufschwung. Von einem ,,Chemiewunder" zu sprechen, ist -ehrlich gesagt - Unsinn. Wir haben ganz einfach unsere Pläne geändert, die Arbeit mit jedem einzelnen intensiviert. Das war nicht leicht, da wir viel Widerstand überwinden mußten.
Was ich vorhin über das ,,Chemiewunder" sagte, gilt auch für die Bezeichnung ,,Wundertrainer". Trainer zu sein ist eine Verpflichtung, und wir müssen eben durch unser Verhalten, Fachwissen, Arbeitsdisziplin und unseren schöpferischen Elan Vorbild sein. Die Erziehung zum Miteinander, das konsequente Eintreten für unsere sozialistische Bewegung - alle diese Eigenschaften müssen einen Trainer auszeichnen.
Um auf die Ursachen für den Leistungsanstieg zurückzukommen -das ,,Wunder" heißt unserer Meinung nach Kollektiv. In der Harmonie der einzelnen Verantwortungsbereiche, dem Auftreten und der Einstellung zum Leistungssport, um nur einige Faktoren zu nennen, lagen und liegen die Reserven. Wir haben sie erkannt und werden weiter danach arbeiten. Das ist unsere gesellschaftliche Verpflichtung.
aus Festschrift 20 Jahre BSG Chemie Leipzig erschienen 1970