Matchwinner Ronny Kujat, Zankapfel Rebecca Kirchner
Leipzig. Der gemeine Leutzscher ist stolz, nachtragend und mit einem
elefantösen Gedächtnis gesegnet. Die Ungleichbehandlung aus grauen
Vorwendezeiten wird gerne entstaubt und aktualisiert, Schiri-Entscheidungen
gegen Chemie bieten Generationen übergreifenden Diskussionsstoff. Vor
diesem Hintergrund war klar, dass Rebecca Kirchner am Sonnabend im Kunzepark
einen schweren Stand haben würde. Die Unparteiische hatte sich im Februar
2002 erdreistet, zwei Sachsen-Tore im Hallenser Kurt-Wabbel-Stadion abzuerkennen.
Dass die Bensheimerin dabei Signale ihrer Assistenten umgesetzt hatte, war
nach dem Abpfiff - Halle gewann 2:1 - kein Thema.
13 Monate später pfiff die zierliche junge Frau wieder ein Spiel des
FC Sachsen. Eines von elementarer Wichtigkeit, die Gastgeber brauchten gegen
Dresden-Nord unbedingt drei Punkte. Es kam, wie es aus Leutzscher Sicht kommen
musste:Sachsen Leipzig siegte 1:0 und Frau Kirchner absolvierte einen
Spießrutenlauf. Jeder Pfiff wurde hämisch beklatscht, dazu gesellten
sich widerliche, "geschlechtsspezifische" Pöbeleien. Wenn das "Feindbild"
nach dem Abpfiff übers Wasser des nahen Auensees gejoggt wäre,
hätte es garantiert geheißen: Schwimmen kann se' also ooch nich'
...
Statt sich übers späte Tor Ronny Kujats (78.) zu freuen und
gentleman-like den Mantel über manche Fehlentscheidung zu decken, gingen
die Sieger auf Konfrontationskurs. Präsident Christian Rocca war es
"schleierhaft", dass der Verband "eine Frau zu so einem wichtigen Spiel schickt.
Vor ihr hatte doch keiner Respekt." Trainer Jürgen Raab setzte die lange
Zeit zähen Bemühungen seiner Fußballer in unmittelbaren
Zusammenhang mit der Spielleitung. Kirchner habe das "ganze Spiele zerpfiffen",
von "einer Fifa-Schiedsrichterin muss man mehr erwarten". Raabs Urteil: "Das
war schwach."
Das eigene Personal kam besser weg. So wurde etwa die Darbietung der ersten
Halbzeit mit einem freundlichen "fahrig" (Raab) abgetan. Man hätte auch
sagen können: Das war schwach! Insgesamt zwei Chancen (Sebastian
Hänsel/34., Roman Müller 40.) resultierten aus der einseitigen
Angelegenheit. Es war nicht Frau Kirchner, die dafür sorgte, dass der
finale Pass regelmäßig misslang, dass Flanken entweder zu kurz
oder zu lang gerieten, dass entscheidende Offensivduelle verloren wurden.
"Chemie erwache!", skandierten die 1764 Fans nach Wiederbeginn - und
plötzlich kam es zu zwingenden Aktionen.
53. Minute: Piet Schönberg flankt mit links (!) auf Ronny Kujat, der
an die Oberkante der Latte köpft. 56.: Kujat grandios auf Hänsel,
Linksschuss aus sieben Metern, Torhüter Rene Groß taucht ab. Weil
Dresden den gegnerischen Strafraum nur aus der Ferne sieht (Sachsen-Keeper
Marco Eckstein: "Ich hätte auch spazieren gehen können"), bringt
Raab mit Christian Pafel, Velibor Kopunovic und Norman Struck weitere
Offensivkräfte. Zwölf Minute vor dem Ende sorgen die beiden Besten
für die Entscheidung. Schönberg tankt sich auf Rechtsaußen
durch, legt nach innen, wo Kujat mit langem Bein (das gibt's nur beim
Fußball) einschiebt.
"Das war peripheres Sehen", lobte Schönberg den eigenen Überblick,
während Matchwinner Kujat "heute das Glück des Tüchtigen"
auf der richtigen Seite wähnte und erklärte, wie Platz 1 verteidigt
wird:"Wir müssen das Derby gewinnen und daheim Jena (auf den 13. April
verlegt, Red.) schlagen."
Guido Schäfer
© Leipziger Volkszeitung
Arbeitssieg! - Kujat lässt den FC Sachsen weiter vom Aufstieg träumen
Wäre das Spiel 0:0 ausgegangen, hätte sich die ganze Wut wohl an
Schiri Rebekka Kirchner (Benshausen/Thüringen) entladen. Denn die lag
mit ihren Pfiffen ziemlich oft daneben. Ronny Kujat war es zu verdanken,
daß die gute Frau letztlich doch noch unbehelligt in ihre Kabine kam.
Mit seinem goldenen Tor gegen Dresden Nord zwölf Minuten vor Schluß
machte er die 1.764 Fans glücklich. Denn so läßt er den FC
Sachsen (bleibt an der OberligaSpitze) weiterhin vom Aufstieg
träumen. Die Szene: Piet Schönberg tankte sich auf rechts durch.
Seine scharfe Eingabe drückte der Stürmer (jetzt 14 Saisontore)
im Rutschen über die Linie.
Genügend Chancen waren vorher schon da, atmete Trainer
Jürgen Raab durch. Insofern haben wir das Tor viel zu spät
gemacht. Kompliment an meine Mannschaft, daß sie nie die Nerven verloren
hat. Kurz davor war allerdings Präsident Christian Rocca (puderrot
auf der TV-Tribüne), der sich eine Marlboro nach der anderen ansteckte
...
So wurde Sebastian Hänsel gerade noch auf der Dresdener Torlinie gestoppt
(33. Minute), knallte ein MüllerSchuß auf die Brust von
Keeper Groß (38. Minute). Der parierte später noch einen Hänsel
Schuß aus 10 m mit der rechten Hand (55. Minute).
Letztlich also ein hochverdienter Arbeitssieg, bei dem sich Tom Geißler
(Pferdekuß im Oberschenkel) noch verletzte. Jürgen Raab:
Für die anstehenden Spitzenspiele beim VfB und gegen Jena haben
wir jetzt eine gute Ausgangsposition. Zuvor geht es Freitag jedoch
zum PokalHalbfinale nach Plauen. Jürgen Raab: Das wird ein
packender Fight. Wir wollen ins Finale. Ansporn: das würde am
1. Mai in Leutzsch (und wahrscheinlich gegen Dynamo) steigen. Wenn das nix
ist!
André Schmidt
© Bild-Leipzig
Baron vermisst Kreativität
Dresden-Nord verliert nach schwacher Leistung 0:1 bei Sachsen Leipzig
Das Ergebnis täuscht. So knapp wie der 1:0-Sieg des Tabellenführers
Sachsen Leipzig gegen Dresden-Nord ausfiel, verlief die Begegnung nicht.
Die Schützlinge von Thomas Baron waren den Kickern aus Leipzig-Leutzsch
in allen Belangen unterlegen und verloren schließlich verdient. Trotz
der Niederlage behaupteten sie den 7. Platz.
Als Leipzigs Trainer Jürgen Raab den Raum zur Pressekonferenz betrat,
konnte er sich den Blick zum Fernseher nicht verkneifen. Mit einem Lächeln
nahm er die Nachricht des Videotextes zur Kenntnis, dass seine Schützlinge
wieder die Tabelle anführen. Sein Trainerkollege Thomas Baron wollte
dagegen nach seinem kurzen Statement nur noch eines: so schnell wie möglich
weg aus Leipzig. Das Spiel seiner Mannschaft hatte ihm gründlich die
Laune verdorben. Wir haben viel zu wenig getan, schimpfte der
Nord-Coach über das schwache Gastspiel. Abgesehen von einer halben Chance
für Martin Streiber (29.) hatten die Nordlichter nicht eine nennenswerte
Möglichkeit. Kein ordentlicher Angriffsfußball, keine
Kreativität: Wir haben alles vermissen lassen, was uns einmal ausgezeichnet
hat, ärgerte sich Baron zu Recht.
In der ersten Halbzeit überboten sich beide Teams an Harmlosigkeit.
Die meisten Angriffsversuche der Dresdner endeten im Abseits oder an Leipzigs
bundesligaerfahrenem Libero David Bergner. Zudem vergaben die Gäste
leichtfertig die wenigen Standardsituationen. Freistöße,
Eckbälle, aber auch Flanken verfehlten meist weit ihr Ziel. Was
üben wir eigentlich immer im Training?, machte sich Torwart René
Groß schon während der Partie lautstark Luft. Der 35-jährige
Keeper war am Sonnabend noch der beste Dresdner. Vor allem in der zweiten
Halbzeit bewahrte er seine Mannschaft lange vor dem drohenden Rückstand.
Denn die Gastgeber setzten nun zum Sturmlauf an. Glück hatte Nord, als
ein Kujat-Kopfball an der Querlatte landete (53.). Die weiteren Chancen von
Hänsel (55.) und Kopunovic (75.) konnte Groß danach noch abwehren.
Aber beim Tor des Tages durch Ronny Kujat war selbst er machtlos. Nachdem
die Dresdner im Mittelfeld den Ball vertendelten, erzielte Kujat mit seinem
14. Saisontreffer die längst überfällige Führung (78.).
Wir haben vielleicht nicht spielerisch überzeugt, aber dieser
Sieg war wichtig für die Moral, strahlte Leipzigs Torschütze
vom Dienst.
Tino Meyer
© Sächsische Zeitung
Knapper Sieg für den Favoriten
Der FC Sachsen hat sich für die Hinspiel-Niederlage gegen Dresden-Nord
revanchiert und nun im eigenen Stadion mit 1:0 gewonnen. Der Favorit war
über mindestens 80 Minuten klar überlegen, zeigte sich aber vor
allem im Abschluss zu zaghaft. Überhaupt war der Angriff der Leipziger
zu ideenlos.
Das Tor des Tages erzielte Kujat (77.), der von Schönberg bedient wurde
und flach ins linke Eck einschob. Zu diesem Zeitpunkt hatte der FC Sachsen
vier Stürmer auf dem Feld. Die Dresdner bauten ein gutes Bollwerk auf,
konnten dem gegnerischen Druck jedoch nicht ewig stand halten. Der eigene
Sturm war zu harmlos, um selbst zum Torerfolg zu kommen.
Trainerstimmen
Jürgen Raab (FC Sachsen: "Wir haben dem gegner keine
Entfaltungsmöglichkeiten gelassen, aber in der ersten Halbzeit zu wenig
Druck gemacht. Das änderte sich nach dem Seitenwechsel, als wir die
spielbestimmende Mannschaft wurden. Unser Manko war, dass wir das entscheidende
Tor zu spät geschossen haben."
Thomas Baron (Dresden-Nord): "Der Sieg für den FC Sachsen geht voll
in Ordnung. Wir haben zu wenig gemacht, um Leipzig aus dem Rhythmus zu bringen.
Angriffsfußball unsererseits war Mangelware. Damit war die Leipziger
Abwehr nicht aus dem Konzept zu bringen."
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